foka schrieb:
Normalerweise prüft die Bundeswehr durch den Disziplinarvorgesetzten, ob so ein Fall an das Militärdienstgericht abgegeben wird.
Also, Militärgerichte gibt es bei uns Gott sei Dank schon mal nicht. Soldaten unterliegen bei uns der allgemeinen Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. Allerdings gibt es mit dem Disziplinarrecht eine Besonderheit.
Der zuständige Disziplinarvorgesetzte (i. d. R. truppendienstliche Vorgesetzte, ist aber genau in der Wehrdisziplinarordnung geregelt) hat erst einmal zu prüfen, ob hier eine Verletzung der Dienstpflichten vorliegt. Ist er dieser Ansicht, kommt eine disziplinare Würdigung des Soldaten in Frage. Disziplinare Maßnahmen, die gegen den Soldaten ausgesprochen werden können, sind in der Wehrdisziplinarordnung abschließend geregelt.
Kommt der truppendienstliche Vorgesetzte in einem förmlichen Verfahren (u. a. Vernehmung des betroffenen Soldaten, Vernehmung von Zeugen, Anhörung der Vertrauensperson) zur Ansicht, dass eine Dienstpflichtverletzung vorliegt, kann er eine disziplinare Maßnahme aussprechen. Bestimmte Disziplinarmaßnahmen ( z. B. Herabsetzung im Dienstgrad) können jedoch nur durch Truppendienstgerichte verhängt werden. Das sind im Prinzip Verwaltungsgerichte mit eingegrenztem Zuständigkeitsbereich, die u. a. mit einem hauptamtlichen (Jurist mit Befähigung zum Richteramt) und nebenamtlichen Richtern (Soldaten) besetzt sind.
In bestimmten Fällen kann der der Ebene Divisionskommandeur zugeordnete Rechtsberater in seiner Funktion als Einleitungsbehörde den Disziplinarvorgesetzten übergehen und den Fall direkt dem Truppendienstgericht vorlegen.
Sowohl gegen die Entscheidung des Disziplinarvorgesetzten als auch des Truppendienstgerichtes kann der betroffene Soldat juristisch vorgehen, letzte Instanz ist im Regelfall der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichtes.
Disziplinarrecht ist jedoch kein Strafrecht und dient sozusagen nur der Aufrechterhaltung der Disziplin der Truppe. Gleiche oder ähnliche besondere Rechtsformen gibt es auch für Beamte bzw. Ärzt und Juristen (Standesrrecht).
Deshalb hat der Disziplinarvorgesetzte weiterhin zu prüfen, ob eine Straftat vorliegt. Bei Verdacht auf Vorliegen einer Straftat kann er, bei bestimmten Strafttaten muss er sogar den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben. Diese leitet dann im Regefall ein Ermittlungsverfahren ein. (Das Ganze funktioniert auch in umgekehrter Richtung, bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erhält der Disziplinarvorgesetzte eine Mitteilung in Strafsachen, bei bestimmten Delikten, wie Alkohol im Straßenverkehr, erfolgt dann regelmäßig auch eine disziplinare Würdigung).
Bei bestimmten Delikten ist auch der Staatsanwalt gezwungen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn er davon erfährt, und sei es aus der Zeitung (deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft immer, wenn ein Soldat im Einsatz Schusswaffen anwendet und dabei Dritte tötet oder verletzt).
Eine eventuelle strafrechtliche Verurteilung kann wiederum Auswirkungen auf das Dienstverhältnis eines Soldaten haben. Bei rechtskräftiger Verurteilung wegen einer Straftat, die mit Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr bedroht ist, wird der Soldat entlassen (auch wenn die Verurteilung auf Bewährung erfolgte). Bei Verurteilung für Straftaten mit Strafandrohung unterhalb eines Jahres erfolgt die Entlassung wegen mangelnder Eignung im Regelfall, wenn die Dienstzeit weniger als vier Jahre beträgt.
Der Soldat lebt also nicht im rechtsfreien Raum. Konsequenzen sind die a) disziplinare Würdigung b) strafrechtliche Verurteilung c) ggf. laufbahnrechtliche Konsequenzen in Folge strafrechtlicher Verurteilung.
Eigentlich unabhängig von der o. a. disziplinar- und strafrechtlichen Würdigung sind Schadensersatzansprüche der Bundeswehr. Wenn der Bundeswehr ein Sach- oder Vermögensschaden entsteht, kann sie diese Ansprüche durchaus gegen den Soldaten geltend machen. Jedem Soldat dürfte die entsprechende Sachschadensmeldung ( z. B. bei Verlust des Bw-Taschenmessers) in Erinnerung sein. Der Vermögensschaden kann dabei durchaus durch entsprechende Schadenersatzzahlung des Bundes begründet sein (Soldat fährt mit Lkw 2to gegen Zaun vom Golfplatz, Lkw unbeschädigt, aber Wehrverwaltung muss Reperatur des Zaunes bezahlen). Vorraussetzung ist dabei aber ein schuldhaftes, d. h. vorsätzliches oder zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Soldaten. Der Nachweis eines schuldhaften Verhaltens wird natürlich durch ein in gleicher Sache geführtes Straf- bzw. Disziplinarverfahren erleichtert. Die Höhe der Wiedergutmachung ist allerdings durch verschiedene Regularien begrenzt. Eine Wiedergutmachung kommt im Regelfall bei Einsatz und Übungen nicht in Frage – wenn ich im Einsatz beschossen und zur schnellen Ortsveränderung gezwungen werde, ist es mir nicht zuzumuten, vorher noch die Vollzähligkeit meiner Ausrüstung zu prüfen. Für die dabei verlorengegangene Feldflasche muss der Soldat also nicht aufkommen. Da Übungen simulierter Einsatz sind, gilt hier Gleiches.
Gruß R.