Tiere suchen sich oft ihre Besitzer selbst.
Absolut:
Etwa im Januar 1994 mussten sich meine Eltern leider von ihrer alten Hündin Goldie verabschieden: Multiples Stoffwechselversagen im Alter von fast 14 Jahren, so dass am Ende die Gnadenspritze der humanste Weg war.
Danach reichte es meinem Vater erst einmal mit den Hunden und einige Wochen lang war das Thema bestenfalls mit traurigen Erinnerungen verbunden. Irgendwann fing mein Vater aber doch an, unruhig zu werden, er vermisste die langen Märsche, äußerte dies aber nur indirekt.
Da meine Mutter nach fast 40 Jahren der Ehe die Zeichen der Zeit zu lesen gelernt hatte, begann sie unauffällig in den entsprechenden Anzeigen der Lokalzeitung zu schauen, bis dort ein "kleinerer" katzen- und kinderlieber Mischlingsrüde aus Zeitmangel in liebevolle Hände abzugeben war.
Hm, könnte passen.
Also rief meine Mutter dort an: "Ja," sagte die Dame am anderen Ende, "der Hund ist tatsächlich ziemlich klein, der geht mir nur bis zur halben Wade."
Alles klar, meine alte Dame fuhr zur angegebenen Adresse, klingelte, die Tür öffnete eine Basketballspielerin. Drahtig, durchtrainiert und gut über 1,90m groß. Demensprechend groß war der Hund, eine sandblonde, zottelige, breitschultrige, fellpflegeintensive Mischung aus Bobtail, Eurasier und Rauhhaardackel, hinter dessen Fransen über der Nase gerüchteweise bisweilen auch Augen zu entdecken waren. Ein geniales, eigenwilliges "Irgendwas", ein "Mopptail".
Meine Mutter hingegen war ganz knapp über 1,60m und was für die Dame halbe Wade war, hieß für meine Mutter kniehoch.
Erste Reaktion: "Oh nein, der ist viel zu groß für uns."
"Das tut mir echt leid. Auf einen Kaffee möchte ich sie trotzdem einladen, wenn sie die lange Anfahrt schon gemacht haben."
Im Laufe des folgenden Gesprächs wickelte der Hund meine Mutter hoffnungslos um die Pfote und am Ende hatte sie ihn wider alle Vernunft
doch genommen.
Siehe da, der "kleine" Rüde fühlte sich bei meinen Eltern sofort heimisch, vertrug sich mit den Katzen, mein Vater war hin und weg.
Einige Wochen später hatte ich mein Diplom in der Tasche und beschloss, die Stellensuche aus Kostengründen vom "Hotel Mama" aus durchzuführen.
Ich kam zu Hause an, sah den Hund, er sah mich und nach dem ersten Spaziergang mit ihm hatte ich - eigentlich ein absoluter Katzenmensch - einen Hund, der mir fortan nicht mehr von der Seite wich.
Bemerkenswert: Die neue Rolle als Hundehalter gefiel mir sogar. Sehr!
Nur mein Vater frozzelte immer, er sei wohl nur Zwischenstation gewesen.
Im Februar 2007 ist Charlie nach 13 gemeinsamen Jahren nachts um vier bei mir zu Hause gestorben, wie Goldie mit knapp 14 Jahren am Stoffwechselversagen. Das Ganze ging binnen weniger Stunden, es war keine Spritze nötig.
Ich habe um ihn getrauert wie um einen geliebten Menschen.
Mehr Bilder kommen, sobald ich sie in den Tiefen meiner Festplatte gefunden habe.
Viele Grüße, Martin