
centuryfan
Testpilot


Eine Kolumne? Bitte schön...
Letztens flammte mal wieder die leidige Diskussion um den "richtigen" Maßstab im Modellbau auf. Das habe ich einfach mal zum Anlass genommen ganz im Sinne von Lee Kolosnas "Modelers Musings"-Kolumne auf Modeling Madness selbst etwas dazu zu schreiben. Der ein oder andere wird dies jetzt als ein 1000fach erörtertes Martyrium des Modellbaus verstehen wollen. Doch ich habe mich bemüht, die Sache mal von einem etwas anderen Standpunkt aus zu betrachten...
Der Maßstab aller Dinge
- oder warum wir uns selbst beschränken
Fragt man z.B. auf einer Ausstellung einen beliebigen Modellbauer, der schon ein paar Jahre lang an der Klebstoffnadel hängt, nach seinem künstlerischen Betätigungsfeld, so wird er in der Mehrzahl aller Fälle zuerst eine Epoche, vielleicht auch eine bestimmte militärische Einheit oder ein Baumuster nennen, um direkt danach hinzuzufügen: "Aber nur in..." Damit weiß man nun, ob es Sinn macht sich mit seinem Gegenüber weiter über die letzten Neuheiten im heißgeliebten Maßstab X zu unterhalten, oder ob dieser Ungläubige allen Vorteilen zum Trotz, die Maßstab X natürlich zu bieten hat, seine Seele dem Maßstab Y verschrieben hat und somit als kompetenter Diskussionspartner ausscheidet.
Natürlich, wie sollte es anders sein, gibt es auch unter Modellbauern unstete Opportunisten, die sich gestern noch die neue Me 262 von Tamiya gekauft haben und am nächsten Tag mit einer Academy F-18 in 1:32 unter dem Arm vor der Tür stehen; die also weder einem Maßstab noch einer Epoche treu sein können und den Lockrufen der Modellbau-Industrie bald hierhin und bald dorthin folgen.
Von anständigen Sparten-Modellbauern werden sie oft belächelt, wie jemand der sein eigenes Ziel noch nicht kennt. Dabei sind es gerade diese Wankelmütigen, die das schwerste Los gezogen haben. Keine Modellbau-Neuheit ist für sie von vorneherein uninteressant und die Höhe ihrer Kistenstapel wächst antiproportional zu der Zahl auf ihren Kontoauszügen.
So liegt es nahe nach den Gründen derer zu fragen, die sich mit sich selbst auf ein asketisches Modellbauer-Dasein geeinigt haben.
Ist es vielleicht ein uralter Selbstschutzmechanismus der vielen die Beschränkung als einzige Wahl lässt, um nicht vollends in Polystyrol und Kunstharz zu versinken?
Da meldet sich natürlich der 48er zu Wort: "So ein Quatsch! 1:72 ist mir einfach zu klein. Da erkenn' ich ja kein Detail!" Und der so gescholtene schießt zurück: "1:48 ist nur was für Grobmotoriker! Und mit 1:72 habe ich am Ende sowieso mehr Modelle in der Vitrine."
Was die Anhänger von 1: 144, 1:32 oder gar 1:24 dazu sagen lässt sich unschwer erahnen.
Auf diese Weise beharrt jeder auf den Argumenten für seinen Maßstab, auch wenn ihm sein klarer Menschenverstand sagt, dass ein größerer Maßstab nunmal mehr Platz für Details lässt und eine B-36 in 1:48 nicht einmal mehr halb so attraktiv für das Wohnzimmer wie in 1:72 ist.
Dem tragen natürlich auch die Kit-Hersteller Rechnung, weshalb es keinen verwundert, dass man mehr Klebstoff-Junkies an 109ern und Spitfires in 1:48 herumschrauben sieht als an einer B-29 im gleichen Maßstab.
Interessanterweise waren die verschiedenen Maßstäbe jedoch immer unterschiedlich stark beliebt. Eine Tatsache, die mit der Geschichte des Plastikmodellbaus eng verknüpft ist. Die ersten in Masse produzierten Bausätze hatten meist sehr unterschiedliche und "krumme" Maßstäbe; ein Phänomen, das man heute historisch-nostalgisch als "Box-Scale" bezeichnet. Es war aber nicht die Größe des Verpackungskartons, die den Spritzlingen ihre Größe und somit den Maßstab diktierte. Vielmehr waren es der Formenbau und die Spritzwerkzeuge, die noch nicht beliebig groß produzieren konnten und durch ihre Einheitsgröße auch die der Spritzrahmen angaben.
Später wurde 1:72 der Maßstab der Stunde. Perfekt um möglichst viele Modelle in kurzer Zeit in einer vergleichbaren Größe am Küchentisch zusammenzuschustern. Die ersten Modellbauer-Generationen brauchten ihr Taschengeld schließlich noch für andere Sachen.
Mit der Zeit gab es aber immer mehr "erwachsene" Modellbauer die bereit waren mehr Geld für mehr Detaillierung auszugeben. Der Maßstab wuchs - weg von der Masse hin zur Klasse. Gerade heute kann man diesen Trend gut beobachten. Noch vor wenigen Jahren führten 1:32 Modellbauer ein Nischenleben und durften für jeden neuen Bausatz dankbar sein, den ihnen die gütigen Modell-Hersteller vorwarfen. Jetzt boomt der Markt und immer größere und ausgefallenere Kits werden realisiert.
In jedem Maßstab entstand so eine Vielfalt, die jedes Modellbauerleben überfordert. Die diesesmal vom Modellbauer ausgehende individuelle Spezialisierung, eigentlich schon eine reaktionäre Handlung, auf einen Themen und/ oder Maßstabsbereich war also nur eine logische Konsequenz.
Und so machen viele schon bald aus der Not eine Tugend und betrachten ihren Maßstab als den einzig wahren, ohne dabei an die ursprünglichen Gründe für ihre Wahl zu denken. Sei es, dass die Zwei-Zimmer Wohnung mit Hund und Frauchen sowieso an ihre Kapazitätsgrenzen stößt, oder dass einen die eigene Anatomie zum Freund größerer und dadurch vielleicht auch bequemerer Darstellungsarten werden lässt.
Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, fällt es schwer umzusatteln, auch wenn sich die Begleitumstände geändert haben. Man hat schon viele Modelle in dem entsprechenden Maßstab gebaut und das Vorratslager ist prall gefüllt. Für so manchen erscheint daher ein längerfristiger Wechsel zu einem anderen Maßstab als zu ineffizient.
Doch zum Glück ist der Opportunismus eines der Grundprinzipien des menschlichen Wesens. Da kann so manches außergewöhnliche Angebot nicht ausgeschlagen werden, auch wenn es streng genommen nicht in den persönlich definierten Themenbereich passt.
Die Abwechslung in der heimischen Vitrine ist auf lange Sicht also sichergestellt. Und um die Abwechslung vom Alltäglichen geht es doch in jedem Hobby...auch wenn man dabei einmal über den Tellerrand schauen muss!
Bernd Korte
Letztens flammte mal wieder die leidige Diskussion um den "richtigen" Maßstab im Modellbau auf. Das habe ich einfach mal zum Anlass genommen ganz im Sinne von Lee Kolosnas "Modelers Musings"-Kolumne auf Modeling Madness selbst etwas dazu zu schreiben. Der ein oder andere wird dies jetzt als ein 1000fach erörtertes Martyrium des Modellbaus verstehen wollen. Doch ich habe mich bemüht, die Sache mal von einem etwas anderen Standpunkt aus zu betrachten...
Der Maßstab aller Dinge
- oder warum wir uns selbst beschränken
Fragt man z.B. auf einer Ausstellung einen beliebigen Modellbauer, der schon ein paar Jahre lang an der Klebstoffnadel hängt, nach seinem künstlerischen Betätigungsfeld, so wird er in der Mehrzahl aller Fälle zuerst eine Epoche, vielleicht auch eine bestimmte militärische Einheit oder ein Baumuster nennen, um direkt danach hinzuzufügen: "Aber nur in..." Damit weiß man nun, ob es Sinn macht sich mit seinem Gegenüber weiter über die letzten Neuheiten im heißgeliebten Maßstab X zu unterhalten, oder ob dieser Ungläubige allen Vorteilen zum Trotz, die Maßstab X natürlich zu bieten hat, seine Seele dem Maßstab Y verschrieben hat und somit als kompetenter Diskussionspartner ausscheidet.
Natürlich, wie sollte es anders sein, gibt es auch unter Modellbauern unstete Opportunisten, die sich gestern noch die neue Me 262 von Tamiya gekauft haben und am nächsten Tag mit einer Academy F-18 in 1:32 unter dem Arm vor der Tür stehen; die also weder einem Maßstab noch einer Epoche treu sein können und den Lockrufen der Modellbau-Industrie bald hierhin und bald dorthin folgen.
Von anständigen Sparten-Modellbauern werden sie oft belächelt, wie jemand der sein eigenes Ziel noch nicht kennt. Dabei sind es gerade diese Wankelmütigen, die das schwerste Los gezogen haben. Keine Modellbau-Neuheit ist für sie von vorneherein uninteressant und die Höhe ihrer Kistenstapel wächst antiproportional zu der Zahl auf ihren Kontoauszügen.
So liegt es nahe nach den Gründen derer zu fragen, die sich mit sich selbst auf ein asketisches Modellbauer-Dasein geeinigt haben.
Ist es vielleicht ein uralter Selbstschutzmechanismus der vielen die Beschränkung als einzige Wahl lässt, um nicht vollends in Polystyrol und Kunstharz zu versinken?
Da meldet sich natürlich der 48er zu Wort: "So ein Quatsch! 1:72 ist mir einfach zu klein. Da erkenn' ich ja kein Detail!" Und der so gescholtene schießt zurück: "1:48 ist nur was für Grobmotoriker! Und mit 1:72 habe ich am Ende sowieso mehr Modelle in der Vitrine."
Was die Anhänger von 1: 144, 1:32 oder gar 1:24 dazu sagen lässt sich unschwer erahnen.
Auf diese Weise beharrt jeder auf den Argumenten für seinen Maßstab, auch wenn ihm sein klarer Menschenverstand sagt, dass ein größerer Maßstab nunmal mehr Platz für Details lässt und eine B-36 in 1:48 nicht einmal mehr halb so attraktiv für das Wohnzimmer wie in 1:72 ist.
Dem tragen natürlich auch die Kit-Hersteller Rechnung, weshalb es keinen verwundert, dass man mehr Klebstoff-Junkies an 109ern und Spitfires in 1:48 herumschrauben sieht als an einer B-29 im gleichen Maßstab.
Interessanterweise waren die verschiedenen Maßstäbe jedoch immer unterschiedlich stark beliebt. Eine Tatsache, die mit der Geschichte des Plastikmodellbaus eng verknüpft ist. Die ersten in Masse produzierten Bausätze hatten meist sehr unterschiedliche und "krumme" Maßstäbe; ein Phänomen, das man heute historisch-nostalgisch als "Box-Scale" bezeichnet. Es war aber nicht die Größe des Verpackungskartons, die den Spritzlingen ihre Größe und somit den Maßstab diktierte. Vielmehr waren es der Formenbau und die Spritzwerkzeuge, die noch nicht beliebig groß produzieren konnten und durch ihre Einheitsgröße auch die der Spritzrahmen angaben.
Später wurde 1:72 der Maßstab der Stunde. Perfekt um möglichst viele Modelle in kurzer Zeit in einer vergleichbaren Größe am Küchentisch zusammenzuschustern. Die ersten Modellbauer-Generationen brauchten ihr Taschengeld schließlich noch für andere Sachen.
Mit der Zeit gab es aber immer mehr "erwachsene" Modellbauer die bereit waren mehr Geld für mehr Detaillierung auszugeben. Der Maßstab wuchs - weg von der Masse hin zur Klasse. Gerade heute kann man diesen Trend gut beobachten. Noch vor wenigen Jahren führten 1:32 Modellbauer ein Nischenleben und durften für jeden neuen Bausatz dankbar sein, den ihnen die gütigen Modell-Hersteller vorwarfen. Jetzt boomt der Markt und immer größere und ausgefallenere Kits werden realisiert.
In jedem Maßstab entstand so eine Vielfalt, die jedes Modellbauerleben überfordert. Die diesesmal vom Modellbauer ausgehende individuelle Spezialisierung, eigentlich schon eine reaktionäre Handlung, auf einen Themen und/ oder Maßstabsbereich war also nur eine logische Konsequenz.
Und so machen viele schon bald aus der Not eine Tugend und betrachten ihren Maßstab als den einzig wahren, ohne dabei an die ursprünglichen Gründe für ihre Wahl zu denken. Sei es, dass die Zwei-Zimmer Wohnung mit Hund und Frauchen sowieso an ihre Kapazitätsgrenzen stößt, oder dass einen die eigene Anatomie zum Freund größerer und dadurch vielleicht auch bequemerer Darstellungsarten werden lässt.
Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, fällt es schwer umzusatteln, auch wenn sich die Begleitumstände geändert haben. Man hat schon viele Modelle in dem entsprechenden Maßstab gebaut und das Vorratslager ist prall gefüllt. Für so manchen erscheint daher ein längerfristiger Wechsel zu einem anderen Maßstab als zu ineffizient.
Doch zum Glück ist der Opportunismus eines der Grundprinzipien des menschlichen Wesens. Da kann so manches außergewöhnliche Angebot nicht ausgeschlagen werden, auch wenn es streng genommen nicht in den persönlich definierten Themenbereich passt.
Die Abwechslung in der heimischen Vitrine ist auf lange Sicht also sichergestellt. Und um die Abwechslung vom Alltäglichen geht es doch in jedem Hobby...auch wenn man dabei einmal über den Tellerrand schauen muss!
Bernd Korte