Cessna 620
Cessna C-620 – Die Geschichte Cessnas einziger 4-Mot
Mit dem großartigen Erfolg der C-310 im Nacken, glaubte man in den frühen 1950´ern daran, dass ein großes, luxuriöses, Druckkabinenflugzeug auf dem Businesssektor ein großer Erfolg werden würde.
Unter dem Topmanagement von Cessna befand sich damals ein pensionierter TWA Kapitän namens Robert Back, der als ehemaliger Airline Pilot sehr von Flugzeugen wie der Lockheed Constellation beeindruckt war. Er versuchte Dwane Wallace davon zu überzeugen, dass eine Maschine mit 4 Motoren extrem sicher wäre – und die zusätzliche Komplexität sei doch eh kein Problem, nachdem Corporate Flugzeuge zumeinst sowieso von 2 hoch qualifizierten Piloten geflogen werden würden. Ferner würde eine solche Maschine Flugleistungen wie ein kleiner Airliner, eine Kabine mit Stehhöhe sowie ein Hilfstriebwerk (APU) verfügen. Viele Spezifikationen stammen interessanter Weise aus einem Luftfahrtmagazin aus dem Jahre 1952. Zudem warf man bei Cessna ein Auge auf die Konstruktion der DeHaviland Heron – dem einzigen Mitbewerber in Flugzeugklasse mit 4 Motoren.
Erste Designüberlegungen begannen im Oktober 1952 unter William Thompson, Hank Waring, Harry Clements und Norman Crook. Mit einem vollen Dutzend anderer Typen die sich in der Test oder Entwurfsphase befanden, stand das gesamte Team unter großem Druck. Am 1. September 1953 nahm die „Business Transport Division“ die Arbeit auf und baute auf diesen ersten Überlegungen auf. Grund für die Schaffung einer neuen Abteilung war die Notwendigkeit die Zulassungskriterien aufgrund des geplanten Abfluggewichts von FAR Part 23 auf Part 4b abzuändern. Für Cessna war dies absolutes Neuland.
Designmerkmale der Konstruktion:
Um genügend Bodenfreiheit für alle 4 Propeller zu schaffen, stand die Maschine auf einem recht hohen Fahrwerk das nach innen bzw. nach vorne einfuhr. Das Ein- und Ausfahren des Fahrwerks geschieht mittels einer von zwei Hydraulikpumpen mit einem Druck von 3.000 psi. Als Backup dient eine handbetätigte Hydraulikpumpe. Die hydraulisch betätigten Scheibenbremsen sind mit einer anti blockier Einrichtung versehen und verfügen über eine Bremskraftverstärkung – das Backup besteht aus einem Luftdruckspeicher. Die Bugradlenkung erfolgt manuell durch Betätigung der Seitenruderpedale – optional ist die eine hydraulische Bugradlenkung durch Betätigung eines ON-OFF-Schalters auf dem Steuerhorn möglich.
Der Flügel barg trotz der Installation von 4 Continental GSO-526-A, (6-Zylinder Boxermotoren mit einer Leistung von je 350 hp bei 3.200 RPM) 533 Gallonen an Treibstoff inkl. der je 50 Gallonen fassende Tip-Tanks der Cessna 310. Der gesamte Treibstoff wurde aus Sicherheitsgründen außerhalb von Triebwerk 2 und 3 geführt.
Die Leistungslimits der Turbolader für eine Leistung von 350 hp betragen 12.000 ft bzw. 15.000 ft für eine Leistung von 310 hp. Alle 4 Motoren und das Hilfsstrom-Aggregat verfügen über Feuermelder. Die double-shot Feuerlöscher für alle Motoren befinden sich mit einer Kapazität von 386 inches² im rechten Flügel nahe dem Rumpf.
Der Tragflügel besaß ein NACA 2400 Profil mit einem Dickenverhältnis von 18 bis 12 %, eine Flügelfläche von 340 ft² bei einer Streckung von 1:9. Die Spannweite betrug 55 ft. Die Flächenbelastung beträgt bei einem Gewicht von 11.000 lbs 32,4 lbs/ft². Zur Auftriebserhöhung wurden einfach geschlitzte Landeklappen mit einer Fläche von 48.4 ft ² installiert. Die gebräuchlichen Klappenstellungen waren 20 Grad für den Start und 40 Grad für die Landung.
Der Rumpf (74 inch Breite, 84 inch Höhe) wurde druckfest für eine Besatzung von 2 Piloten und 5 Passagiere in einer luxuriösen Ausstattung ausgeführt. Maximal konnten 11 Sitze eingebaut werden. Ein begehbarer Gepäckraum war ebenso wie ein Waschraum mit Toilette vorgesehen. An jeder Kabinenseite waren 3 sehr große, rechteckige Fenster eingebaut.
Folgende Leistungsdaten wurden errechnet:
Maximales Fluggewicht: 15.000 lbs
Leergewicht: 10.000 lbs
Maximale Reisegeschwindigkeit in 15.000 ft: 245 KTAS
Reisegeschwindigkeit bei 70 % Leistung in 12.500 ft.: 226 KTAS
Steigrate maximal: 1.520 ft/ min
Dienstgipfelhöhe: 26.000 ft
Reichweite bei 70 % Leistung inkl. 45 Min Reserve: 1.480 NM
Maximale Flugdauer: 9 Stunden
Überziehgeschwindigkeit „clean“: 98 mph
Überziehgeschwindigkeit in Landekonfiguration: 78 mph
Großes Augenmerk wurde auf eine ausgefeilte und ergonomische Cockpitgestaltung gelegt.
Kern des Cockpit ist das so genannte „Cleanup panel“. Betätigt der Pilot den Hebel zum feathern eines Propellers (= bringt bei Motorausfall den Propeller in Segelstellung), so wird automatisch der Generator des betreffenden Motors abgeschaltet und Treibstoffhahn und Propellerenteisung (per Alkohol) geschlossen. Kommt es zu einer Brandmeldung, so genügt das Anheben der Schultzklappe des Feuerlöschers um die entsprechenden Löschleitungen unter Druck zu setzen – die Betätigung des Feuerlöschers führt dann zur Leitung des Löschmittels zum entsprechenden Motor.
Ein Master-Warning-Panel ist direkt in Sicht des Piloten angebracht und informiert über sämtliche Systemausfälle, Feuermeldungen etc.
Der Erstflug der N620E fand am 11. August 1956 von der McConnell AFB aus statt. Die Crew bildeten Dale Westfall und Bill Stinson. Der Flug dauerte 1:05 und wurde von Fritz Feutz in einer C-310 begleitet. Bis auf eine ausgefallene Treibstoffpumpe und ein Überdrehen von Propeller 4 weist der Flugreport keine Probleme auf.
Während der nächsten Flüge beschäftigten sich die Testpiloten mit falschen Feuermeldungen, falschen Fahrwerksanzeigen, weichen Bremsen und leichtem Querruderflattern bei niedrigen Geschwindigkeiten. Auch Dwane Wallace flog die Maschine – erstmals am 28. November 1956 (der 51. Flug). Aerodynamische Probleme gab es so gut wie keine – lediglich viele Motoren wurden zu Schrott geflogen – Continental hat diese Motoren zunächst für Anwendungen in Hubschraubern entwickelt und stieß auf größere Probleme als erwartet.
Leider wurde das Projekt am 14. Oktober 1957 nach 240 Testflügen und 330 Flugstunden beendet. Zusammen mit dem Prototyp wurden alle ermittelten Testdaten (ungeschickter Weise) vernichtet – dennoch kann gesagt werden, dass alle errechneten Leistungsdaten erreicht oder übertroffen wurden und sich die Maschine sehr ähnlich der viel größeren Douglas DC-6 geflogen hat. Alle Testpiloten waren großen Lobes über die Maschine.
Was war der Grund für die Einstellung des Projekts? Der ursprüngliche Verkaufspreis der C-620 lag bei 250.000 Dollar. Bis 1957 ist dieser Preis auf 375.000 Dollar gestiegen. Leider rangierten in dieser Zeit viele Airlines ihre Convair 340 und Martin 202 aus – um sie durch moderne Jet- und Turboprop-Muster zu ersetzen. Convair und Martin waren hierdurch (trotz einer wesentlich größeren Kabine) zu Preisen um 200.000 Dollar zu bekommen – für die C-620 war damit kein Platz mehr auf dem Markt.
Hätten die Cessna Verantwortlichen jedoch ein wenig mehr Geduld gehabt, hätte Cessna, glaubt man Carl Branson, mit einer PT-6- 2-Mot-Version der C-620 einen großen Wurf gelandet. „...Cessna could be building Kingair equivalents to this day!“
Die unbegreifliche Zerstörung des Prototyps mit einem Bulldozer und der einhergehenden Vernichtung aller Unterlagen und Testprotokolle war ein schwerer Schlag für die Angehörigen der beteiligten Abteilungen. Das Ende des Programms bedeutete auch den Verlust von 100 Arbeitsplätzen (der Hälfte des gesamten Ingenieurteams) sowie die Abschreibung von 6-7 Millionen Dollar die für das Programm bis dahin investiert wurden.