AW: CH 53K und Eurocopter HTH
Was tut man: anstatt sich am Markt einzudecken, bastelt man sich ein noch viel härteres Requirement zusammen, so dass man einen Mungo oben auf eine Bergspitze stellen kann, und dass bei 35°C auf der Spitze. Wieso? Weil man es ja mal brauchen könnte. Natürlich: den Heli muss man dann selber bauen.
Ich würd's nicht ganz so fatalistisch sehen.
Die entwurfsbestimmenden Kernforderungen an den CH-53K, nämlich ein zum CH-53E identischer Footprint an Deck bzw. im Hangar und die OMFTS-Mission (Transport externer Nutzlasten von Schiff zu Land, größtenteils in geringen Höhen und aufgrund des ganzen restlichen amphibischen Drumherum überschaubaren Distanzen) sind außerhalb des US Marine Corps nicht ganz so relevant. Ein anderer Nutzer legt andere Schwerpunkte, und man ist in Deutschland und Frankreich ja nu erstmal nur dabei, die eigenen Wünsche als Fähigkeitslücke zu definieren. Ob die in ihrer Gesamtheit erfüllt werden kann, oder ob es ggf. marktverfügbare Alternativen im Sinne der 80%-Lösung gibt - dafür sind die nächsten Schritte im CPM-Prozess da. Im Idealfall richtet sich das Angebot am Markt nach den Fähigkeitslücken, und nicht die Fähigkeitslücken nach dem Angebot am Markt.
So, an diesem Punkt kommt Europa ins Spiel. Halte ich es für sinnvoll, auf Teufel komm raus ein europäisches Entwicklungsvorhaben für einen schweren Transporthubschrauber durchzuprügeln (Why? Due to reasons!)? Nö. Langen wir an einem Punkt an, an dem mal wieder Eurocopter alleine das Rad nochmal erfinden soll, und noch viel runder als alle existierenden Räder, dann soll man das Vorhaben bitte schnellstmöglich einstampfen und sich tatsächlich an einer Kauflösung versuchen. Das ist nicht mal gehässig gemeint, die Erfahrungen mit so großen Hubschraubern sind in Europa einfach nicht vorhanden. Beim A400M hat man gesehen, wie leicht auch hervorragende zivile Flugzeugbauer viele Dinge unterschätzen können, wenn sie plötzlich militärische Flugzeuge bauen sollen. Und dann auch gleich noch auf vielerlei technologischem Neuland.
Es gäbe es jedoch eine Konstellation, die meiner Meinung nach durchaus erfolgversprechend wäre* - und zwar die von EC verfolgte Kooperation mit Boeing, im Besonderen das zuletzt auf der ILA 2012 nachdrücklich gezeigte
FTH-Konzept in Tandemkonfiguration. Boeing hat Jahrzehnte an Erfahrungen mit Chinook und Sea Knight, mangels echter Drehflügler-Großprojekte freie F&E-Kapazitäten und ist als Unternehmen groß genug. Und noch viel wichtiger gehen langsam die Abnehmer für den Chinook aus. Das Muster ist am Ende seines Lebenszyklus, das Ende der Produktion ist absehbar (2019?). Boeing hätte also erhebliches Eigeninteresse, einen Nachfolger für den Chinook auf die Beine zu stellen. Der potentielle Kundenkreis ist umfangreich.
Rückblick nach 2011. Damals gabs in den USA
Überlegungen, was man mit dem Chinook zukünftig anstellen möchte, und wie Vertical Lift langfristig zukünftig aussehen soll. Da JMR-Heavy nicht vor 2040 zu erwarten ist, braucht der Amerikaner eine Übergangslösung. Es gab mehrere Optionen für den Chinook:
- Neue Rotorblätter, überarbeiteter Rotorkopf, überarbeitetes Hauptgetriebe (Nutzlastgewinn ~1 Tonne)
- Neue Triebwerke ~7500 shp und einhergehende Änderungen (Nutzlastgewinn 30% auf 29,5 Tonnen)
- Neues Modell mit vergrößertem Rumpf bei Wegfall der Forderung nach Lufttransportfähigkeit in C-17 (Nutzlastgewinn 50% auf 34+ Tonnen)
- CH-47F unverändert weiter beschaffen
Mittlerweile hat sich die letzte Option durchgesetzt, und angesichts des Sequestration-Gehampels und der generellen Budgetkürzungen ist da wohl auch nichts mehr anderes zu erwarten. Das wäre allerdings wohl DIE Chance gewesen, auch noch die US Army mit ins Boot zu kriegen. Das hätte auf einen Schlag ein Mehrfaches der kritischen Masse für das Vorhaben bedeutet. Wir stellen fest, daß sogar Boeing selbst Potential für einen "Growth Chinook" sieht. Einen fliegenden Prototypen in grob dieser Richtung gab es mit dem
BV-347 schon in den 70ern, und danach sind nicht wenige Mittel in das Konzept des
Advanced Tandem Rotor Helicopter geflossen.
Aber gut, nicht jeder ist (mehr) so optimistisch, was Neuentwicklungen in Europa angeht. Schauen wir uns also Optionen für eine mögliche Kauflösung an:
- Die am schnellsten verfügbare Lösung wäre der CH-47F. Das Muster ist in laufender Serienproduktion, welche nach derzeitigem Stand ohne weitere Bestellungen 2019 auslaufen würde.
Angenommen, man würde sich "hinten anstellen", dürften die ersten Produktionsslots 2017 oder 2018 zur Verfügung stehen. Da man sich an eine laufende Ausbildung anhängen könnte, wäre dies für die ersten Crews schon parallel zur Fertigung möglich. Andere (schnellere) Möglichkeiten wäre ein "Abkaufen" früherer Produktionsslots (für spezifisch deutsche Lfz) von Bestandskunden oder, wie es die Schweden mit den Blackhawk gemacht haben, das simple "Umleiten" des amerikanischen Standard-Rüststands aus der laufenden Produktion.
- Der CH-53K wäre eine alternative Kauflösung, die (deutlich?) später zur Verfügung stehen würde. Der Erstflug ist derzeit für Ende 2014 terminiert, die Initial Operational Capability beim USMC für 2019. Da eine Fertigung erstmal priorisiert für das USMC laufen würde, wären frühe Produktionsslots kaum zu bekommen. Angenommen, daß Lfz für Deutschland mit Erreichen der vollen Produktionsrate abgezweigt werden könnten, wäre das in etwa 2024. So früh in der Einführungsphase stehen auch bei den Amerikanern kaum Kapazitäten für eine Ausbildung von ausländischen Besatzungen zur Verfügung. Nichtsdestotrotz könnte man wohl auf vorhandene Infrastruktur zurückgreifen, allerdings nicht so schnell wie bei den Chinook.
- AW101 wären eine Option hart am unteren Rand des Spektrums. Mit BERP IV und CT7-8E liegt das MTOW >15 Tonnen, mit entsprechender Nutzlast. Allerdings landen wir dann schon unterhalb des CH-53G und nahe am NH90.
- Den Ostalgiern zuliebe sei noch der Mi-26T zumindest am Rande erwähnt, der allerdings keine ersthafte Option darstellen würde. Nicht zuletzt in der derzeitigen politischen Großwetterlage...
Kauflösungen sind entsprechend auch nicht zwingend wesentlich bessere oder schnellere Möglichkeiten, an einen Nachfolger für den CH-53 zu kommen...
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*: Vielleicht auch "war", weil es möglicherweise ein, zwei, drei Jahre zu spät dafür ist und man sich früher und deutlicher hätte entscheiden müssen.