Bleiente
Alien
Die Bergung des abgestürzten Kampfjets erfolgte am 2. September 1955
Vier Monate nach dem Erstflug stürzte die Schweizer Eigenentwicklung eines Kampfjets bei Horn in den Bodensee. 50 Jahre später berichtet der Taucher Ludwig Hain über seine Erlebnisse bei der Bergung.
Nachdem sich Testpilot Hans Häfliger mit dem Schleudersitz aus dem abstürzenden Prototyp herauskatapultiert hatte, verfolgen am Ufer bei Horn etliche Augenpaare, wie der führerlose P-16 keine 300 Meter vom Ufer entfernt aufschlägt und im Bodensee versinkt. Aufgrund der Beobachtungen sollte eigentlich die Ortung des Flugzeugs keine Probleme bereiten.
Der «Bomber-Schaffner» - gerade damit beschäftigt, den Bodensee von Flugzeug-Schrott aus dem Zweiten Weltkrieg zu säubern - ist innert Tagesfrist zur Stelle. Mit dabei der Taucher Ludwig Hain: «Die Leute konnten mir fast auf den Meter genau die Stelle bezeichnen, wo der Flieger ins Wasser gestürzt war. Doch dort war nichts!» Mit der Seilschlingenmethode gelingt es schliesslich Schaffners Mannschaft, das Wrack in einiger Entfernung von der vermuteten Stelle in 35 Meter Tiefe zu orten. «Nochmals liess ich mich auf den Seegrund», erzählt Hain. «Direktor Caroni, Besitzer der Herstellerfirma FFA, beobachtete die Suchaktion von seinem Privatboot aus. Ihm musste ich im Detail über den Zustand seines Jets berichten. Insgeheim schien er zu hoffen, dass das Flugzeug als Zeuge schweizerischer Qualitätsarbeit praktisch unversehrt auf dem Grund liegen würde.»
Taucher Ludwig Hain ist ehemaliger deutscher Militärpilot. Als Sportflieger mit Schweizer Lizenz versteht er etwas von Flugzeugkonstruktionen. Um keine unnötigen Beschädigungen am Wrack zu verursachen, bittet er Caroni, den im Bau befindlichen zweiten Prototyp des P-16 anschauen zu dürfen. Dieser lehnt zuerst kategorisch ab. «Einem Ausländer - dazu einem Deutschen - die Erlaubnis zu erteilen, den geheimen zweiten Prototyp anzufassen, schien ihm zu gewagt. Schliesslich konnte ich ihn doch überzeugen.» Von zwei bewaffneten Wachleuten begleitet, wird Hain in die Fertigungshalle geführt. Die ausgefahrenen Sturzflugbremsen scheinen ihm stark genug konstruiert zu sein, um daran die Bergungsseile zu befestigen.
Bald hängt der hintere Teil des Rumpfes am Kran von Schaffners Bergungsschiff «Jumbo». Da es in Altenrhein keine Möglichkeit gibt, ihn an Land zu hieven, muss der Umweg über Romanshorn gewählt werden. Dort steht ein grosser Bootswerftkran zu Verfügung, der schon im Zweiten Weltkrieg eine viermotorige amerikanische «Fliegende Festung» aus dem Wasser gezogen hat. Kurz vor der geplanten Abfahrt geht eine Erschütterung durch das Wrack. Ein Ruck. Wellen schlagen gegen das Schiff. Das Triebwerk hat sich gelöst und ist wieder in den Fluten verschwunden. Um wenigstens das verbliebene Rumpfstück möglichst schnell aus dem Wasser zu bekommen, lässt Caroni sein Motorboot vor das Bergungsschiff spannen. Am Ufer verfolgen zahlreiche Schaulustige die mehr als drei Stunden dauernde Fahrt nach Romanshorn. Der Verlad auf die bereitstehenden Güterwagen gestaltet sich schwieriger als erwartet, sodass der «Sonderzug» erst weit nach Mitternacht in Staad/Altenrhein eintrifft.
«Für die Untersuchung der Unfallursache war es wichtig, dass ich möglichst alle Wrackteile fand. Eine mühsame Angelegenheit», erinnert sich Hain. «Stundenlang suchte ich den mit Schlick bedeckten Boden ab und legte die gefundenen Teile in einen wasserdurchlässigen Korb. Jedes Mal, wenn ich nach oben kam, fragte mich Caroni, ob ich das Triebwerk gefunden hätte. Aber es war wie verhext! Das mehr als drei Meter lange Triebwerk blieb unauffindbar. Erst am zweiten oder dritten Tag stiess ich mit dem Fuss an einen harten Gegenstand. Ich wollte daran ziehen, doch er liess nicht bewegen. Als ich Schlamm und Schlick etwas entfernt hatte, erkannte ich die wahren Dimensionen meines Fundes. ‹Ich habs!›, meldete ich über meine Sprechverbindung nach oben.» Nachdem der obere Teil des Triebwerks so weit freigemacht ist, dass man ein Stahlseil darumlegen kann, gibt Hain den Befehl zum Heben. Das Seil spannt sich, der Kran ächzt, und der hintere Teil des Schiffes hebt sich immer mehr aus dem Wasser. «Wir wollen nur das Triebwerk, nicht den ganzen Seegrund», erhält Hain Bescheid von oben. Mit einem Wasserstrahl spült er einen zwei Meter tiefen Graben rund um das Triebwerk frei, sodass der nächste Versuch erfolgreich ist.
Artikel von Mathias Weichelt*
*Der Verfasser, Sohn von einem der P-16-Ingenieure, arbeitet in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern. P-16-Infos sind erhältlich bei: H. Strehler, Erlenrain 6, Emmenbrücke.
Ursache geklärt Dank der ausgezeichneten Arbeit des Bergungsunternehmens von Martin Schaffner konnte anhand der geborgenen Wrackteile die Unglücksursache geklärt werden. Eine defekte Schweissnaht in der Tankdruckanlage führte zu einer Unterbrechung in der Treibstoffzufuhr und hatte zum Absturz des ersten Protoyps P-16 geführt.
http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=1080936&ressort=regionen/stgallen
Vier Monate nach dem Erstflug stürzte die Schweizer Eigenentwicklung eines Kampfjets bei Horn in den Bodensee. 50 Jahre später berichtet der Taucher Ludwig Hain über seine Erlebnisse bei der Bergung.
Nachdem sich Testpilot Hans Häfliger mit dem Schleudersitz aus dem abstürzenden Prototyp herauskatapultiert hatte, verfolgen am Ufer bei Horn etliche Augenpaare, wie der führerlose P-16 keine 300 Meter vom Ufer entfernt aufschlägt und im Bodensee versinkt. Aufgrund der Beobachtungen sollte eigentlich die Ortung des Flugzeugs keine Probleme bereiten.
Der «Bomber-Schaffner» - gerade damit beschäftigt, den Bodensee von Flugzeug-Schrott aus dem Zweiten Weltkrieg zu säubern - ist innert Tagesfrist zur Stelle. Mit dabei der Taucher Ludwig Hain: «Die Leute konnten mir fast auf den Meter genau die Stelle bezeichnen, wo der Flieger ins Wasser gestürzt war. Doch dort war nichts!» Mit der Seilschlingenmethode gelingt es schliesslich Schaffners Mannschaft, das Wrack in einiger Entfernung von der vermuteten Stelle in 35 Meter Tiefe zu orten. «Nochmals liess ich mich auf den Seegrund», erzählt Hain. «Direktor Caroni, Besitzer der Herstellerfirma FFA, beobachtete die Suchaktion von seinem Privatboot aus. Ihm musste ich im Detail über den Zustand seines Jets berichten. Insgeheim schien er zu hoffen, dass das Flugzeug als Zeuge schweizerischer Qualitätsarbeit praktisch unversehrt auf dem Grund liegen würde.»
Taucher Ludwig Hain ist ehemaliger deutscher Militärpilot. Als Sportflieger mit Schweizer Lizenz versteht er etwas von Flugzeugkonstruktionen. Um keine unnötigen Beschädigungen am Wrack zu verursachen, bittet er Caroni, den im Bau befindlichen zweiten Prototyp des P-16 anschauen zu dürfen. Dieser lehnt zuerst kategorisch ab. «Einem Ausländer - dazu einem Deutschen - die Erlaubnis zu erteilen, den geheimen zweiten Prototyp anzufassen, schien ihm zu gewagt. Schliesslich konnte ich ihn doch überzeugen.» Von zwei bewaffneten Wachleuten begleitet, wird Hain in die Fertigungshalle geführt. Die ausgefahrenen Sturzflugbremsen scheinen ihm stark genug konstruiert zu sein, um daran die Bergungsseile zu befestigen.
Bald hängt der hintere Teil des Rumpfes am Kran von Schaffners Bergungsschiff «Jumbo». Da es in Altenrhein keine Möglichkeit gibt, ihn an Land zu hieven, muss der Umweg über Romanshorn gewählt werden. Dort steht ein grosser Bootswerftkran zu Verfügung, der schon im Zweiten Weltkrieg eine viermotorige amerikanische «Fliegende Festung» aus dem Wasser gezogen hat. Kurz vor der geplanten Abfahrt geht eine Erschütterung durch das Wrack. Ein Ruck. Wellen schlagen gegen das Schiff. Das Triebwerk hat sich gelöst und ist wieder in den Fluten verschwunden. Um wenigstens das verbliebene Rumpfstück möglichst schnell aus dem Wasser zu bekommen, lässt Caroni sein Motorboot vor das Bergungsschiff spannen. Am Ufer verfolgen zahlreiche Schaulustige die mehr als drei Stunden dauernde Fahrt nach Romanshorn. Der Verlad auf die bereitstehenden Güterwagen gestaltet sich schwieriger als erwartet, sodass der «Sonderzug» erst weit nach Mitternacht in Staad/Altenrhein eintrifft.
«Für die Untersuchung der Unfallursache war es wichtig, dass ich möglichst alle Wrackteile fand. Eine mühsame Angelegenheit», erinnert sich Hain. «Stundenlang suchte ich den mit Schlick bedeckten Boden ab und legte die gefundenen Teile in einen wasserdurchlässigen Korb. Jedes Mal, wenn ich nach oben kam, fragte mich Caroni, ob ich das Triebwerk gefunden hätte. Aber es war wie verhext! Das mehr als drei Meter lange Triebwerk blieb unauffindbar. Erst am zweiten oder dritten Tag stiess ich mit dem Fuss an einen harten Gegenstand. Ich wollte daran ziehen, doch er liess nicht bewegen. Als ich Schlamm und Schlick etwas entfernt hatte, erkannte ich die wahren Dimensionen meines Fundes. ‹Ich habs!›, meldete ich über meine Sprechverbindung nach oben.» Nachdem der obere Teil des Triebwerks so weit freigemacht ist, dass man ein Stahlseil darumlegen kann, gibt Hain den Befehl zum Heben. Das Seil spannt sich, der Kran ächzt, und der hintere Teil des Schiffes hebt sich immer mehr aus dem Wasser. «Wir wollen nur das Triebwerk, nicht den ganzen Seegrund», erhält Hain Bescheid von oben. Mit einem Wasserstrahl spült er einen zwei Meter tiefen Graben rund um das Triebwerk frei, sodass der nächste Versuch erfolgreich ist.
Artikel von Mathias Weichelt*
*Der Verfasser, Sohn von einem der P-16-Ingenieure, arbeitet in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern. P-16-Infos sind erhältlich bei: H. Strehler, Erlenrain 6, Emmenbrücke.
Ursache geklärt Dank der ausgezeichneten Arbeit des Bergungsunternehmens von Martin Schaffner konnte anhand der geborgenen Wrackteile die Unglücksursache geklärt werden. Eine defekte Schweissnaht in der Tankdruckanlage führte zu einer Unterbrechung in der Treibstoffzufuhr und hatte zum Absturz des ersten Protoyps P-16 geführt.
http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=1080936&ressort=regionen/stgallen