Der überwachte Himmel
Wer in der DDR in der Fliegerei tätig war, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Es sei denn, er war in diese schizophrene Überwachungsstruktur der Stasi, speziell in diesem Gebiet, als Hauptamtlicher- oder Informeller Mitarbeiter eingebunden. Dann kennen sich die Leute bestimmt noch gut aus. Trotzdem können die das auch mal lesen, da jeder ja nur das wusste, was er für seine Tätigkeit brauchte.
Der Autor, Drachenflieger schon zu DDR-Zeiten, hat die Hintergründe und die Reaktionen des Staates in einer fünfjährigen Fleißarbeit aus unzähligen Akten der Stasi und anderen Institutionen herausgearbeitet. Den Lesefluss stören anfänglich hunderte von Quellenvermerke und Zusatzinformationen, die zum Teil aber nicht uninteressant sind.
Das erste drittel des 730 Seiten starken Buches, beschäftigt sich nur mit den Agrarfliegern. Allein bei den Agrarfliegern gab es 9 Fluchten, bei denen 20 Personen geflüchtet sind. Die meisten der Piloten davon kannte ich, einige auch persönlich. Was ich in diesem Buch zum ersten mal erfahren habe, waren die Gründe und der Ablauf der Flucht. Solche Dinge wurden konkret durch die Stasi zwar untersucht und ausgewertet, aber uns nicht bekannt gegeben. Man wollte ja keine Nachahmer motivieren. Was damals so bekannt wurde, alles Gerüchteküche.
Das Gleiche bei den GST- und Flugsportlern, wo es in den 1970er Jahren richtig zur Sache ging (zwei Drittel des Buches). Jede Flucht zog neuer Restriktionen nach sich, Flugplätze wurden geschlossen, jahrelang gute Fluglehrer und Instrukteure durften von heute auf morgen die Flugplätze nicht mehr betreten. Der Flugsport wurde regelrecht abgewürgt. Was noch zählte, die Nachwuchsgewinnung für die LSK.
Aber, die Stasi war eben nicht überall, war hoffnungslos unterbesetzt und ihre Mitarbeiter teilweise intellektuell überfordert. Der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen Stasi, GST und Interflug lief schon deshalb nicht immer reibungslos. Nur so ist es erklärlich, das es immer wieder passierte.
Nach der Lektüre ist mir noch ein mal richtig bewusst geworden, von welchen Überwachungsmoloch man da umgeben war. Dabei wollte man nur seine Arbeit machen. Immer auf des Messers Schneide, konnte man seinen Arbeitsplatz verlieren, ohne irgend eine Angabe von Gründen. Wenn ich heute meine Stasiakte daneben lege, ergeben sich da interessante Berührungspunkte, vor allem nach welchem Vorkommnis, welche Sanktionen und Maßnahmen neu eingeführt wurden. Man hat von allen Seiten gut auf mich aufgepasst.
Ich muss mich dafür aber nicht bedanken.
Ein Stück deutscher Fliegereigeschichte, für die sich in 20 Jahren kaum noch jemand interessieren wird.