Wie Du schon richtig schreibst, ist im Geradeausflug die Summe der Rückdrehmomente des oberen und des unteren Rotors 0, damit dreht die Maschine nicht. Für eine Drehung wird auf die Rotoren ein unterschiedliches Drehmoment gebracht, indem der Einstellwinkel (=Pitch) des einen erhöht, der des anderen vermindert wird. So bleibt die Summe des Auftriebes konstant, aber das Drehmoment dreht halt die Maschine um die Hochachse - ohne die ganzen Nachteile eines Heckrotors.
Die Strömungsverhältnisse des unteren Rotors liegen erheblich anders als die des oberen, da der Abstrom des oberen den unteren eben beeinflusst. Wenn ich mal Zeit habe, werde ich das russische Buch "Aerodynamik der KA-26" übersetzen (welches mir freundlicherweise Ka-26-Freund besorgt hat
). Da steht drin, dass man bei den Geschwindigkeiten des Vorstromes (also "ganz oben") und des Abstromes (jeweils zwischen den Rotoren und "ganz unten") von einem Verhältnis 1:2:4 ausgeht. Die Ausgangsbedingungen für den unteren Rotor liegen also in einer doppelt so schnellen Anströmung von oben, was dessen Anstellwinkel bei gleichem Einstellwinkel erheblich verringert und so zu einem ungenügenden Auftrieb führt. In der Praxis werden die unteren Tragschraubenblätter von vornherein höher angestellt, bei der Ka-26 hatte ich (so glaube ich) von 2° gelesen.
Prinzipiell sind die beiden Schrägsteller-Aufbauten oben und unten gleich. Beide werden über ein Differential verkoppelt, also vereinfacht gesagt über eine Wippe. Wenn ich die gesamte Aufhängung der Wippe hebe, verändert sich die Lage der an beiden Enden angeschlossenen Apparate zueinander nicht (das sind der obere Schrägsteller an der einen bzw. der untere SS an der anderen Seite) - das Verhältnis der Einstellwinkel bleibt gleich (wenn keine Drehung um die Hochachse - 0), es wird nur der Gesamtauftrieb erhöht und die Maschine steigt. Bei einem Tritt in die Pedale verändere ich die Lage der Wippe, also das eine Ende steigt gegenüber dem anderen, so dass die eine Tragschraube den Einstellwinkel vergrößert und die andere vermindert.
Es gab mal eine prima Grafik auf Sealaunchers Seite. Leider hat er jedoch im Moment genug andere Sorgen und seine Seite ist nicht mehr erreichbar. Dummerweise hab' ich sie mir auch nicht abgespeichert... Jedenfalls ist die gesamte Konstruktion ein mächtig komplexes Ding und mechanisch nicht zu unterschätzen.
Bei der Chinook dürfte die Drehung etwas anders funktionieren (so wie bei allen HS mit nicht-koaxialen Rotoren). Das hatten wir im Forum schon mal diskutiert, siehe den im letzten Beitrag genannten Link. Bei diesem HS dürfte die Drehung erreicht werden, indem der hintere Rotor über den Schrägsteller ein die eine seitliche Richtung geneigt wird, der vordere in die andere Richtung. Prinzipiell bedingt das aber eine notwendige Leistungserhöhung bei der Drehung, denn durch die Auftriebsvektorneigung verringert sich der vertikale Anteil etwas, und der Hubschrauber müsste sinken. Über die praktische Größenordnung weiß ich allerdings nichts.
Deine Vermutung, dass bei Koaxial-Systemen die Drehung bei vollem Pitch bei gleichem Pedalausschlag schneller gehen müsste, ist wahrscheinlich grundsätzlich richtig. Das Verhältnis der beiden Drehmomente bleibt gleich, aber die absolute Differenz in Nm gemessen ist größer. Also wird die Maschine in eine schnellere Drehung versetzt (beschleunigt). Aber praktisch muss man sowieso alles im gewünschten Rahmen betätigen. Die Grenzen sind zwar beim Koaxial-System viiiel weiter gesteckt als bei einem Heckschraubensystem, aber es muss alles fliegerisch beherrschbar sein.