Die deutsche Luftwaffe hat den Untersuchungsbericht zum Tornado-Absturz im Berner Oberland seit Anfang November fertig. Die Schweizer Behörden sahen den Bericht nie, er kursiert seit drei Monaten auf deutschen Schreibtischen
Es sei ein Pilotenfehler gewesen. Statt nach links sei der 27-Jährige Ende April mit seinem Tornado am Ende des Lauterbrunnentals nach rechts abgebogen und daraufhin in die Äebniflueh gedonnert. Dies beschied der Oberbefehlshaber der Luftwaffe dem Vater des Piloten Ende vergangenen Jahres, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Und: Der Unfalluntersuchungsbericht sei seit Anfang November fertig. Man werde der Familie nach «Erledigung aller administrativen Angelegenheiten» Anfang Januar den Bericht vorlegen.
Der «Abzeichnungsvorgang
Das Gleiche gilt eigentlich für Schweizer Behörden und Öffentlichkeit. Bloss: Die «administrativen Angelegenheiten» ziehen sich hin. Seit drei Monaten müssten Hunderte, wenn nicht Tausende von Beamten in Deutschland damit beschäftigt sein, den Bericht abzuzeichnen. Zumindest, wenn man den Schilderungen von Holger Wilkens, Sprecher der deutschen Luftwaffe, glaubt: «Das ist ein ministerieller Abzeichnungsvorgang», oder «Das ist ein komplizierter Mitzeichnungsvorgang», der durch «alle Abteilungen durch» müsse und «so viele Leute müssen das angucken», das dauere jetzt noch ein bisschen. Was denn da so lange dauert und welche «Abteilungen» und «ministeriellen Kräfte» alle abzeichnen müssen, das sei «so kompliziert, das interessiert doch gar niemanden.»
«Das interessiert niemanden»
Die deutsche und die Schweizerische Luftwaffe entscheiden für die Öffentlichkeit mit, was jemanden am Untersuchungsbericht interessieren könnte. «Wir werden den Untersuchungsbericht nicht vollumfänglich veröffentlichen, aus Gründen der Geheimhaltung und weil das technologisch so detailliert und kompliziert ist, dass der Normalbürger damit nichts anfangen kann», sagte Wilkens vor geraumer Zeit auf Anfrage von 20minuten.ch. Ins gleiche Horn stösst Jürg Nussbaum, Sprecher der Schweizer Luftwaffe. Man werde die für die Öffentlichkeit interessanten Informationen in einer Medieninformation aufbereiten. «Interessant» heisst: Grund des Absturzes und die Lehren, die daraus gezogen werden.
Bevormundung der Bürger
Mehreren Mitgliedern der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) des Parlaments reicht dieses Vorgehen nicht. «Das muss ein sehr interessanter Bericht sein. Das ist immer so, wenn man etwas nicht veröffentlichen will», sagt der Zuger Nationalrat Jo Lang. Lang und Müller werden darauf bestehen, den Bericht in der SIK vollumfänglich zu sehen zu bekommen. Und sie sind nicht die einzigen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der SIK würde den Bericht gerne sehen. «Zu sagen, der Bericht sei zu kompliziert, ist eine Bevormundung mündiger Bürger», sagt Geri Müller (Grüne). Auch Toni Bortoluzzi (SVP) möchte den Bericht gerne sehen. «Wir werden das schon anschauen müssen. Immerhin ist das Flugzeug in der Schweiz abgestürzt», sagt Bortoluzzi. Pius Segmüller (CVP) möchte zumindest die Wahl haben, ob er sich den gesamten Untersuchungsbericht ansehen kann oder nicht. «Es reicht mir auch, wenn ich die Akten einsehen kann, ohne sie mitnehmen zu dürfen».
«Wir geben den Bericht nicht weiter»
Die deutsche Luftwaffe wird den Untersuchungsbericht lediglich der Schweizer Luftwaffe zur Verfügung stellen. Wem diese Einsicht in den Bericht gewährt wird, entscheidet sie vorderhand selber. «Wenn wir das so handhaben, wie in früheren Fällen, dann geben wir den Bericht nicht weiter», sagt Sprecher Nussbaum. Er schliesst allerdings nicht aus, dass parlamentarische Kommissionen an den Bericht rankommen könnten.
Dereinst. Denn wann der Bericht fertig abgezeichnet ist, ist nicht abzusehen. Erst hiess es «Anfang Januar». Anfang Januar hiess es, es sei «jeden Tag soweit». Mitte Januar hiess es, Ende Januar sei man durch. Nun heisst es: «Zwei bis vier Wochen noch» höchstens.