Schön, dass jemand den Restart gewagt hat! Ich fand es unnötig, Debatten zu beginnen, die erwartbar nur den Papierkorb füllen.
Vielleicht mal zu mir: Ich habe den 2. und 3. Oktober 1990 als Student erlebt. Wie, schrieb ich ja schon. Als Student im 1. Semester.
Spannender vielleicht, dass ich den 2. und 3. Oktober 1989 noch als Soldat erlebte. Zunächst in Vorbereitung der großen Militärparade zum 40. Jahrestag der DDR, an der ich schließlich auch teilnahm. Danach dann die anderen Einsätze: Zunächst war Leipzig vorgesehen, der entfiel. Schließlich Berlin mit der großen Demo am 4.11.89, wo wir nur in unsere W-50 in Seitenstraßen standen und nichts weiter taten, bis hin zur Maueröffnung am 9.11.89. Wir waren in einem Ferienlager außerhalb Berlins stationiert, wo genau, weiß ich nicht mehr. Viel Sport, viel Nahkampftraining.
Schließlich war unsere Einheit direkt am Brandenburger Tor eingesetzt. Ohne Schusswaffen, nur mit Schlagstöcken bewaffnet. Direkt am Brandenburger Tor blieben wir bis zum 11.11., dann wurden wir, völlig erschöpft nach über 60 Stunden Dienst ohne Pause, endlich abgelöst. Unsere Generalität war überfordert, vom Kommando bekamen wir keinerlei Befehle. Unser Kompaniechef, die Zugführer und unser "Spieß" mussten de facto alles allein klären dort. Sich um die Truppe kümmern, Verpflegung und Tee organisieren, auch mal eine Zigarette ausgeben. Im Kern bin ich meinen Vorgesetzten heute noch dankbar für ihre Professionalität, Ruhe und Zuverlässigkeit. War sehr anstrengend, aber auch sehr beeindruckend.
Eine Zeit des Umbruchs, die dann rasch eine bis dahin ungekannte Aufregung in mir auslöste. Die Zeitungen und das Fernsehen waren auf einmal offen, frech, neu. 1199 - erinnert ihr euch noch? Die "Junge Welt" war lesbar, auch das "ND". Und dann auf einmal ganz fremde Ideen in mir: Mal mit dem Fahrrad nach Italien fahren … sollte das jetzt gehen? Einmal nach Florenz?
Wenn ich mich recht erinnere, blieben wir bis etwa zum 20.11.89 in Berlin, wurden dann zurückverlegt.
Ich weiß noch, dass ich mein Begrüßungsgeld später im Urlaub in Berlin Nähe Ku'damm ausgegeben habe. Für eine F-15C von Italeri in 1/72 u.a. Der Verkäufer hatte wohl schnell gemerkt, dass ich aus dem Osten komme (wie sicher viele zu der Zeit), und empfahl die Marke. Qualitativ gut, nicht zu teuer. Ich hatte damals nur von Heller und Matchbox gehört. Für einen, der allenfalls Kovozavody und die Bausätze aus der DDR kannte, war das ganz neu. Italeri baue ich noch heute gern.
Zum Jahreswechsel 89-90 ging alles recht schnell. Unsere Truppe würde aufgelöst, es begannen die ersten, sich bei der Polizei oder im zivilen Sektor umzusehen. Ausbildung fand kaum noch statt, viel Pflege und Instandsetzung. Wer sich um einen Studienplatz kümmern wollte, um noch 1990 anzufangen, sollte das tun. Unsere Chefs halfen, soweit sie konnten, gewährten Sonderurlaube für Bewerbungen, schrieben Empfehlungen. Eigentlich waren die Bewerbungsfristen an den DDR-Unis ja längst vorbei. Es wurde viel improvisiert, und die meisten fanden schnell etwas. Nur wenige trugen später noch Uniform im vereinten Deutschland. Wenn, dann bei der Polizei. Viele aber machten ganz was Neues.
Ab Februar 90 konnten wir dann entlassen werden. Wer einen Job hatte, konnte gehen. Völlig problemlos. Mit geringstmöglichem formalem Aufwand, ohne große Appelle und Meldungen. Es endete schnell und schmerzlos. Händedruck, viel Glück den Älteren. Und weg. Ohne Tränen, ohne Trauer, aber auch ohne Freude. Arbeiten bis Ende Juli. Dann ab September 1990 Studium. Mit 19 Jahren begann dann mein ziviles Leben in der Bundesrepublik.
Jan