Ich weiß jetzt ehrlich nicht, wo ich anfangen soll ...
Kim und die Wiedervereinigung .... es mag ja durchaus sein, dass ein einiges Korea insbesondere im Süden noch in Teilen der Bevölkerung gewünscht wird, aber jenseits von allen ideellen Zielen gibt es in beiden Teilen sehr viel drängendere persönlich wichtige Fragen, die insgesamt kaum unterschiedlicher sein könnten.
Das fängt vom einfachen Kampf ums Überleben im Norden an und hört damit auf, dass im Süden eine einsame Entscheidung der USA gefürchtet wird, die das Land zu einem Kriegsschauplatz macht. Und Kim hat mit seinen Aktionen gerade auch innerhalb der eigenen Familie deutlich gezeigt, worauf es ihm am meisten ankommt. Auf den unangefochtenen Machterhalt.
Daher hat er auch alle jene eliminiert, die als "trojanische Pferde" einer anderen Macht an seiner Stelle als Regenten hätten installiert werden können. Denn dass etwa China (oder Russland) so ungeschickt wären, selbst zu intervenieren glaubt doch wohl niemand. Ein dritter Staat würde einen Militärputsch inszenieren, um dann einen Stellvertreter oder eine gefügige Marionette an der Spitze des Staates zu installieren. Nach dem Tod von Kim Jong Il im Dezember 2011 haben wir so alle zwei Jahre entsprechende Nachrichten erhalten, die zeigen, dass der aktuelle Kim genau hiergegen vorgeht. Er schaltet zielstrebig alle infrage kommenden Personen aus:
Januar 2013:
Nordkorea: Kim Jong Un und seine verschollenen Brüder - SPIEGEL ONLINE - Politik
Mai 2015:
Toter Minister: Kim lässt hinrichten - SPIEGEL ONLINE - Politik
Februar 2017:
Halbbruder vergiftet? Das ist das Familiengeflecht des mysteriösen Kim-Clans
Wiedervereineigung? Das ist nach alledem keines der aktuellen Fragen und Ziele, die bei den Akteuren auch nur als Hintergedanke eine Rolle spielen würden.
Und wenn man sich China und Südkorea von den Schlüsselzahlen her vergleicht - Größe, Zahl der Bewohner, Wirtschaftsdaten, Streitkräfte ,,,, dann erübrigt sich die Frage nach der Konkurrenz.
Südkorea ist (der einzige verbliebene) Stationierungsort für US-Soldaten auf dem ostasiatischen Kontinent. Es ist für eine Weltmacht wie die USA, die aus einer relativ isolierten geostrategischen Lage her agieren, ein wichtiger Abstützpunkt. Das hat nichts mit Demokratie oder Menschenrechten zu tun, sondern mit der Tatsache, dass der letzte verbliebene Verbündete (Japan) wenig geeignet ist, um aktive Großmachtpolitik in Ostasien zu betreiben.
Japan ist als Inselstaat in Ostasien genauso "wenig zugehörig" wie GB zu Kontinentaleuropa. Und wenn man phantasiert, Hitler hätte von GB aus den Kontinent mit seinem Eroberungskrieg überzogen, und in der St. Pauls Kathedrale in London würde jährlich der Kriegsverbrecher gedacht, dann ... kann man vielleicht ermessen, welche Vorbehalte auf dem Kontinent und insbesondere auch in Korea gegenüber Japan bestehen.
Mit anderen Worten: wenn die USA in Eurasien aktiv Politik gestalten wollen, dann brauchen sie einen Verbündeten auf dem ostasiatischen Kontinent selbst. Und deshalb haben auch die USA wenig Interesse, die vor sich hinköchelnde Konfliktsituation auf der koreanischen Halbinsel zu bereinigen.
Etwas anderes wäre es nur, wenn man China als aktiven Partner gewinnen könnte. Damit würde eine koordinierte Politik bis nach Zentralasien möglich werden.
Genauso hat allerdings auch China kein Interesse an einer weiteren Präsenz von US-Streitkräften in seinem Vorgarten. Es muss sich also als der perspektivisch bessere Partner in seinem lokalen Umfeld zeigen.
Dazu gehört, dass es Nordkorea an die Zügel legen kann, während die USA mit Feuer-und-Zorn-Tiraden drohen (was gelungen ist),
dazu gehört, dass es sich als aktiver und fairer Handelspartner zeigt, mit ständig steigender Wirtschaftsmacht (was erfolgt),
und dazu gehört, dass man den schärfsten Werkzeugen gegenüber Nordkorea bis zuletzt zurückhaltend agiert (auch das passiert: NK würde zusammenbrechen, wenn die Öllieferungen aus China ausbleiben, aber genau dieses Druckmittel setzt China nicht ein).
Es erweist sich als "zurückhaltender Hegemon", der auch einem Regime in seinem Hegemonialbereich einen umfassenden Handlungsspielraum lässt.
China pflegt dieses Bild und lehnt daher eine Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Länder deutlich ab. Das lässt sich kaum besser darstellen als mit folgendem Vergleich:
- die (US-gesteuerte) Weltbank finanziert sehr viele Politikreformen, die in den Empfängerländern die herrschende Elite beeinträchtigen,
- die (China-gesteuerte) Asiatische Infrastruktur-Investmentbank finanziert ausschließlich Infrastrukturprojekte ("neue Seidenstraße"), die den herrschenden Eliten auch Profit versprechen, zugleich aber den wirtschaftlichen Einfluß Chinas maximieren.