Auch wenn die Piloten unerfahren waren, kann man ihnen die Schuld juritisch nicht anlasten:
Boeing wollte mit seinem, schon recht alten, Produkt 737 in dem Bereich, wo es um den Mengenabsatz von verkauften Flugzeugen geht, nicht Airbus mit seiner Neo-Serie das alleinige Feld überlassen. Um eine Verbrauchsoptimierung zu erreichen, mussten also neue, verbrauchsärmere und somit größere Triebwerke her, die kontruktionsbedingt (Tragflächen zu dicht am Boden), vorne an diesen angesetzt werden müssen und folglich den Schwerpunkt der Maschine nach vorne verlagert haben. Um diesen Effekt auszugleichen, wurde also MCAS entwickelt, um selbständig in die Trimmung einzugreifen, falls es in gewissen Geschwindigkeitsbereichen zu Problemen durch die Schwerpunktverlagerung kommen sollte. Das ist also kurz und knapp die Geschichte.
Nun verkauft Boeing dieses Produkt jedoch zu einem großen Teil an Fluggesellschaften, die allgemein als "Billigflieger" bezeichnet werden. Diese sparen nun einmal gerne auch an den Personalkosten. Flugkapitäne mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung und höheren Gehaltsansprüchen sind da also eher wenig zu finden. Von regelmäßigen Simulatorschulungen mal ganz abgesehen. Die Leute müssen Geld bringen und dürfen nur wenig kosten. Teilweise beschäftigt man sogar "Selbständige", um keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Boeing wird also sehr genau wissen, was das für Kunden sind. Die Frage ist dann halt, ob Boeing die Käufer des Produktes nicht nur eingehend darüber informiert hat, was zu machen ist, wenn MCAS unkontrolliert eingreift und es dadurch zu Problemen im Flugverhalten kommt, sondern diese auch aufgefordert hatte, entsprechende Schulungen der Crews durchzuführen. Soweit allgemein bekannt ist - nein.
Das Produkt stammt aus einem Land, in dem man z. B. den Hersteller eines Wohnmobils erfolgreich verklagen kann, wenn dieser in der Gebrauchanleitung nicht darauf hingewiesen hat, dass man während der Fahrt, nach dem Einschalten des Tempomaten, nicht einfach nach hinten gehen darf, um sich dort eine Mahlzeit zu bereiten und es dann zu einem Unfall kommt (fiktiv, aber es gibt in den USA schon sehr kuriose Urteile). Dort darf man sich doch am wenigsten wundern, dass die Geschädigten jetzt entsprechend reagieren.
Die Gerichte haben folglich entschieden, dass MCAS so, wie es verkauft wurde, ein Sicherheitsrisiko war. Mag ja sein, dass ein Urteil in Europa geringfügig anders ausgefallen wäre, jedoch ändert das nichts an der Tatsache, dass nicht jede Crew zwangsläufig wissen musste, was da durch MCAS auf sie zukommen könnte. Und genau dort und nirgendwo anders liegt der Hase im Pfeffer.