Auch, wenn der ganze Vorgang auf Video festgehalten wurde, dürfte es kaum möglich sein, den Unfall so exakt nachzustellen, dass festgestellt werden kann, ob Pilot 2 Flugzeug 1 immer im Blick haben konnte.
Anhand des Videos kann man sehr gut sehen, dass Nr. 2 theoretisch immer in einer Position flog, wo er Nr. 1 sehen konnte. Nur bei dem double hammerhead (Kunstflugprofis mögen meine Namen der Figuren entschuldigen und bitte korrigieren) scheint es so, als wenn beide Flugzeuge in die Richtung der Nr. 2 abkippen. Das fuehrt dazu, dass Nr. 2 die Nr. 1 kurzfristig verliert, wenn beide 90 Grad abgekippt sind und die Nr.1 direkt im Rücken von Nr. 2 ist. Idealerweise kippen beide in die andere Richtung ab. Also, Nr. 1 kippt weg von Nr. 2 ab. Somit ist gewährleistet, dass Nr. 2 (als Verantwortlicher fuer deconfliction) Nr. 1 immer sehen kann. Hier wurde das Manöver aber räumlich getrennt durchgeführt, so dass fuer den kurzen Zeitraum des Sichtverlustes zusammen mit den beiden sehr vorhersehbaren Flugwegen dafuer Sorge getragen wurden nicht zu kollidieren.
Nr. 2 erreicht einen höheren Zenith vor dem Abkippen nach rechts als Nr.1 und ist jetzt auf dem Weg nach unten etwas hinten dran. Es geht in den Abschwung mit folgendem Geradeausflug in dem Nr. 2 vermutlich versucht mithilfe einer höheren Geschwindigkeit wieder in die richtige Position zu kommen.
Jetzt kommt der Aufschwung, den Nr. 2 vermutlich mit einem Geschwindigkeitsüberschuss anfängt. Man sieht, wie Nr. 2 die Nr. 1 waehrend des gemeinsamen Aufschwungs etwas überholt (wobei das immer nur schwer anhand nur eines Videos zu sagen ist, da die Perspektive hier einem manchmal was vorschwindelt). Nr.1 beendet den Aufschwung im Rückenflug und bleibt stabil, so dass Nr. 2 das (die?) geplanten Manöver in Relation zu Nr. 1 fliegen kann. Nr. 2 hat hier (oder sollte hier) definitiv die Verantwortung haben, dass sich beide Flugzeuge nicht berühren, da Nr.1 zu sehr mit dem stabilen Rückenflug beschäftigt ist.
Nr. 2 faengt jetzt die Fassrolle um Nr. 1 an. Ich weiss nicht wie das Manöver haette enden sollen. Mit einem Rejoin? Mit einer Fassrolle um die Nr.1? Oder in eine Line Abreast position, ebenfalls im Rückenflug? Oder hinter Nr.1? Aber genau hier verschätzt sich vermutlich Nr.2 bezueglich seiner Geschwindigkeit und/oder bei der Position von der er das Manöver anfängt. Er ist vermutlich etwas schneller (geringe Unterschiede in Geschwindigkeit machen hier viel aus) als Nr. 1 und etwas vor der Nr. 1 als sonst gewohnt. Das führt dazu, dass er nach 90 Grad Fassrolle anscheinend etwas vor der Nr. 1 herauskommt (und evtl. auch zu nah dran ist, was aber nur schwer abzuschätzen ist). Scheinbar zieht Nr. 2 etwas nach als der Lift-Vector direkt auf Nr.1 gerichtet ist und geht somit auf Kollisionskurs mit Nr. 1.
Hat Nr. 2 die gesamte Zeit Sichtkontakt zu Nr.1?
Das ist natuerlich schwer zu sagen, da wir nicht wissen wo Nr. 2 hingeschaut hat. Aber man kann behaupten, dass der Sichtkontakt während des gesamten Manövers moeglich war. Zusätzlich kann (muss!) bei dieser Art Manöver/Figur die Nr.2 so fliegen, dass der Sichtkontakt immer aufrecht erhalten bleibt. Sollte der Sichtkontakt verloren gegangen sein wäre dies der kausale Fehler der Kollision.
Nehmen wir an Nr.2 hatte die ganze Zeit Sichtkontakt zu Nr.1, muessen wir uns fragen warum er sein Flugzeug auf Kollisionskurs mit Nr.1 manövriert hat? Dies ist natuerlich unmöglich herauszufinden. Vermutlich hat die etwas veränderte Position und Geschwindigkeit (im Vergleich zu vorherigen Vorfuehrungen oder Training) dazu gefuehrt, dass Nr.2 die Situation bezueglich Flugwege und Annaehrungsgeschwindigkeiten falsch einschätzte und evtl. die Steuerflächen/den Steuerknüppel so bediente wie er es immer gewohnt war und wahrscheinlich oft trainiert hat. Nur dass in dieser besonderen, veränderten Situation anders haette geflogen werden muessen.
Anhand älterer Videos (und wahrscheinlich vieler unfallfreien Vorführungen) sieht man, dass hier Piloten fliegen, die ihre Sache verstehen. Dennoch hat in diesem Fall das Verständnis und die jahrelange Erfahrung im Formationsflug nicht gereicht, um den Unfall zu verhindern.