Ghostbear
Space Cadet
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Bei Leeham News gibt es einen neuen Artikel, der zumindest mir momentan sehr plausibel vorkommt. Wer der englischen Sprache mächtig ist, sollte sich diesen Artikel durchlesen. Bjorn’s Corner: Why did Ethiopian Airlines ET302 and Lion Air JT610 crash? - Leeham News and Analysis
Hier meine Zusammenfassung der in dem Artikel aufgestellten Hypothese:
Flug JT043 - Ein auf dem Jumpseat mitfliegender 737 Pilot hat beobachtet, dass die Trimmung "komisch" arbeitet. Daraufhin hat der Kapitän die Trimmung ausgestellt, um zu sehen wie sich das Flugzeug fliegen lässt. Dann hat er die Trimmung wieder angestellt und gesehen, dass es mit dem Trim Cutoff besser funktioniert hat. Er hat vorher kein "Trim Runaway" festgestellt. Bei einem Trim Runaway fährt das Höhenleitwerk konstant in eine Richtung bis in den "Mechanical Stop"*1. Ein solches Trim Runaway Verhalten war aber nicht zu beobachten und wahrscheinlich ist deswegen auch keiner auf die Idee gekommen die Memory Items für den Trim Runaway abzuspulen. Dadurch, dass der mitfliegende Pilot auf dem Jumpseat den Kopf frei hatte und auf die richtige Lösung gekommen ist, wurde das Flugzeug gerettet. Er hätte nach dem Start das normale Verhalten des Speed Trims erwartet, wo im Steigflug (737 Piloten bitte korrigieren, wenn ich falsch liege) zur Entlastung der Piloten leicht und je nach Fluglage automatisch Nose Up getrimmt wird. Die Trimmräder haben sich aber in die falsche Richtung bewegt.
*1) Anmerkung: Bei Airbus ist das als Catastrophic eingestuft und deswegen systemseitig redundant ausgelegt, wird automatisch detektiert und abgeschaltet und ist extrem unwahrscheinlich (10^-9/FH).
Flug JT610 - In diesem Fall hat der Kapitän 21 Mal mit Nose Up Inputs gegen das MCAS getrimmt, während der Copilot das Quick Reference Handbuch gewälzt hat. Dazu muss man wissen. Das Handbuch heißt zwar Quick Reference Handbook, ist aber dennoch ein sehr seitenstarkes Monster. Ich kann mir vorstellen, dass es echt unangenehm ist, wenn man nichts zu einem solch komischen Flugverhalten findet. Wie oben beschrieben: Die Symptome sind ganz anders als ein normaler Stabilizer Runaway. Nun wollte auch der Kapitän nachschlagen und sehen ob er was findet und übergibt die Kontrolle an den Copiloten, der nur zwei Mal gegen das MCAS trimmt und wohl zu kurz. Im Zeitschrieb des Flight Data Recorders (FDR) sieht man, das kurz nach den beiden kurzen Trim Interventionen des Kopiloten, die Kraft auf die Steuerhörner enorm zunimmt und voll gezogen wird.
Jetzt wird es interessant: Laut Leeham kann man die 737NG bei vollem Nose Down Trim noch die Nase mit dem Höhenruder oben halten.
ABER: Es gibt wohl bei der 737 ein sogenanntes „Blowback Problem“ mit den Höhenruderaktuatoren. Das bedeutet, dass bei einer gewissen Fluggeschwindigkeit, der Staudruck auf dem Höhenruder so groß ist, dass der Aktuator nicht dagegen ankommt und der Kolben des Aktuators gegen den Hydraulikdruck wieder zurückgedrückt wird. Dadurch wird der Ausschlagwinkel des Höhenruders immer kleiner und kleiner*2. Dadurch geht das Flugzeug immer mehr in den Sinkflug und nimmt immer mehr Geschwindigkeit auf. Dadurch wird das Blowback Problem wiederum immer weiter vergrößert. Das ist ein Teufelskreis aus dem man nur bei genug Höhe und unter konstant gehaltener manueller Nose Up Trimmung rausgekommen wäre. Ich gehe davon aus, dass die Piloten da im Kopf längst nicht mehr frei waren und beide mit voller Kraft nur noch am Yoke gezogen haben. Dies wird man auch im Simulator nicht simulieren können, da solche Zustände nicht eingebaut sind. Sowieso sind selbst modernste Flugsimulatoren im Grenzbereich nur annähernd realistisch. Dieses Thema hatten wir im Rahmen des AF447 Absturzes glaub ich schon mal.
Die Mutmaßung ist, dass JT610 schlicht zu schnell war, um das Flugzeug bei vollem Nose Down Trim nur mit dem Höhenruder zu retten.
*2) Anmerkung: Bei modernen Airbus Fly By Wire Flugzeugen gibt es das Prinzip der „Double Pressurization“: Normalerweise kontrolliert nur ein Aktuator die Steuerfläche, aber bei gewissen Zuständen (Funktion von Geschwindigkeit und Lastfaktor Kommandierung) wird der zweite Aktuator dazugeschaltet, um ein Blowback zu verhindern und auf jeden Fall den kommandierten Flugzustand einnehmen zu können.
Flug ET302 – Bei diesem Flug wird nun das gleiche Muster wie bei JT610 vermutet. Die Indizien sind, dass die Trimmspindelschraube (Jackscrew) auch bei ET302 auf der Full Nose Down Position lag. Beide Flugzeuge waren für ihre Flughöhe sehr schnell unterwegs. Hier die Mutmaßung, dass man eine Geschwindigkeitsmarge aufbauen wollte, um Stall Warning und Kontrollprobleme in Ruhe zu beheben.
Fehlerkette: (meine Mutmaßung)
Hier meine Zusammenfassung der in dem Artikel aufgestellten Hypothese:
Flug JT043 - Ein auf dem Jumpseat mitfliegender 737 Pilot hat beobachtet, dass die Trimmung "komisch" arbeitet. Daraufhin hat der Kapitän die Trimmung ausgestellt, um zu sehen wie sich das Flugzeug fliegen lässt. Dann hat er die Trimmung wieder angestellt und gesehen, dass es mit dem Trim Cutoff besser funktioniert hat. Er hat vorher kein "Trim Runaway" festgestellt. Bei einem Trim Runaway fährt das Höhenleitwerk konstant in eine Richtung bis in den "Mechanical Stop"*1. Ein solches Trim Runaway Verhalten war aber nicht zu beobachten und wahrscheinlich ist deswegen auch keiner auf die Idee gekommen die Memory Items für den Trim Runaway abzuspulen. Dadurch, dass der mitfliegende Pilot auf dem Jumpseat den Kopf frei hatte und auf die richtige Lösung gekommen ist, wurde das Flugzeug gerettet. Er hätte nach dem Start das normale Verhalten des Speed Trims erwartet, wo im Steigflug (737 Piloten bitte korrigieren, wenn ich falsch liege) zur Entlastung der Piloten leicht und je nach Fluglage automatisch Nose Up getrimmt wird. Die Trimmräder haben sich aber in die falsche Richtung bewegt.
*1) Anmerkung: Bei Airbus ist das als Catastrophic eingestuft und deswegen systemseitig redundant ausgelegt, wird automatisch detektiert und abgeschaltet und ist extrem unwahrscheinlich (10^-9/FH).
Flug JT610 - In diesem Fall hat der Kapitän 21 Mal mit Nose Up Inputs gegen das MCAS getrimmt, während der Copilot das Quick Reference Handbuch gewälzt hat. Dazu muss man wissen. Das Handbuch heißt zwar Quick Reference Handbook, ist aber dennoch ein sehr seitenstarkes Monster. Ich kann mir vorstellen, dass es echt unangenehm ist, wenn man nichts zu einem solch komischen Flugverhalten findet. Wie oben beschrieben: Die Symptome sind ganz anders als ein normaler Stabilizer Runaway. Nun wollte auch der Kapitän nachschlagen und sehen ob er was findet und übergibt die Kontrolle an den Copiloten, der nur zwei Mal gegen das MCAS trimmt und wohl zu kurz. Im Zeitschrieb des Flight Data Recorders (FDR) sieht man, das kurz nach den beiden kurzen Trim Interventionen des Kopiloten, die Kraft auf die Steuerhörner enorm zunimmt und voll gezogen wird.
Jetzt wird es interessant: Laut Leeham kann man die 737NG bei vollem Nose Down Trim noch die Nase mit dem Höhenruder oben halten.
ABER: Es gibt wohl bei der 737 ein sogenanntes „Blowback Problem“ mit den Höhenruderaktuatoren. Das bedeutet, dass bei einer gewissen Fluggeschwindigkeit, der Staudruck auf dem Höhenruder so groß ist, dass der Aktuator nicht dagegen ankommt und der Kolben des Aktuators gegen den Hydraulikdruck wieder zurückgedrückt wird. Dadurch wird der Ausschlagwinkel des Höhenruders immer kleiner und kleiner*2. Dadurch geht das Flugzeug immer mehr in den Sinkflug und nimmt immer mehr Geschwindigkeit auf. Dadurch wird das Blowback Problem wiederum immer weiter vergrößert. Das ist ein Teufelskreis aus dem man nur bei genug Höhe und unter konstant gehaltener manueller Nose Up Trimmung rausgekommen wäre. Ich gehe davon aus, dass die Piloten da im Kopf längst nicht mehr frei waren und beide mit voller Kraft nur noch am Yoke gezogen haben. Dies wird man auch im Simulator nicht simulieren können, da solche Zustände nicht eingebaut sind. Sowieso sind selbst modernste Flugsimulatoren im Grenzbereich nur annähernd realistisch. Dieses Thema hatten wir im Rahmen des AF447 Absturzes glaub ich schon mal.
Die Mutmaßung ist, dass JT610 schlicht zu schnell war, um das Flugzeug bei vollem Nose Down Trim nur mit dem Höhenruder zu retten.
*2) Anmerkung: Bei modernen Airbus Fly By Wire Flugzeugen gibt es das Prinzip der „Double Pressurization“: Normalerweise kontrolliert nur ein Aktuator die Steuerfläche, aber bei gewissen Zuständen (Funktion von Geschwindigkeit und Lastfaktor Kommandierung) wird der zweite Aktuator dazugeschaltet, um ein Blowback zu verhindern und auf jeden Fall den kommandierten Flugzustand einnehmen zu können.
Flug ET302 – Bei diesem Flug wird nun das gleiche Muster wie bei JT610 vermutet. Die Indizien sind, dass die Trimmspindelschraube (Jackscrew) auch bei ET302 auf der Full Nose Down Position lag. Beide Flugzeuge waren für ihre Flughöhe sehr schnell unterwegs. Hier die Mutmaßung, dass man eine Geschwindigkeitsmarge aufbauen wollte, um Stall Warning und Kontrollprobleme in Ruhe zu beheben.
Fehlerkette: (meine Mutmaßung)
- Am Anfang der Fehlerkette schein ein einzelner defekter AoA Sensor zu stehen.
- Die MCAS Logik hat kein "Voting" durch Abgleich von drei AoA Sensoren.
- Das MCAS hat sich bei einem AoA Disagree nicht abgeschaltet.
- Das MCAS trimmt bei jedem Eingriff immer 2.5° Nose Down, statt der 0.6° die zertifiziert sind. Dadurch muss jedes Mal im Fehlerfall länger von Hand gegengetrimmt werden.
- Der Fehler war den Piloten nicht bekannt. Es stand nichts im QRH und es wurde nicht "adäquat" geschult.
- Das MCAS führt in zwei Zyklen bereits zum vollen Nose Down Ausschlag des Höhenleitwerks.
- Durch den hohen Staudruck werden die Höhenruder Aktuator Kolben selbst bei vollem Zug am Steuerhorn wieder zurückgedrückt (Blowback Effekt).
- Trotz kommandiertem Höhenruder-Vollausschlag wird der Winkel des Ausschlag durch den Blowback Effekt immer kleiner.
- Die Nose Down Attitude des Flugzeug wird größer und die Geschwindigkeit erhöht sich. Der Blowback Effekt wird verschlimmert.
- Das Flugzeug ist verloren.