Ein interessanter Kommentar, in Anbetracht der Tatsache, dass die DDR ihr Volk eingesperrt hat.
Nur gab es eben einige, die diesen Wunsch verspürt haben. Und deren Geschichte wird in dem Film erzählt.
Ich habe mir lange überlegt ob ich auf diesen Zwischenruf reagieren sollte. Es könnte wieder ein unschönes Ost-West Stück geben.
Aber ich will deine Worte dennoch nicht unbeantwortet stehen lassen.
Sie zeigen nämlich ein Bild der DDR, dass in der autonomen Gebirgsrepublik Bayern gepflegt wurde und wird. Und dementsprechend ist auch der Film gemacht worden.
Ich finde es traurig, wieviel ihr von uns nicht wisst. Und das was ihr zu wissen glaubt ist von der Propaganda des kalten Krieges durchzogen.
Leider.
Du schreibst, dass es einige gab, die in den Westen fliehen wollten. Nein! Es waren nicht einige. Es waren Tausende, Zehntausende, Hundertausende. Aber deren Geschichte wird nicht in dem Film erzählt.
Und nein, die DDR hat nicht ihr Volk eingesperrt. Dieses Geschichtsbild, nämlich die DDR als großes Gefängnis zu bezeichnen, ist falsch. Es passt aber zu Helmut Kohls Satz aus den 80ern, dass die DDR ein großes KZ gewesen sei.
Und genauso stellst du dir die DDR vor. Als ein großes KZ. Rundherum gab es eine meterhohe Mauer. Alle naselang gab es Wachtürme. Auf diesen Türmen saßen schießwütige Grenzer und ballerten auf alles was sich bewegt.
Die DDR Mauer begann in deinem Geschichtsbild irgendwo östlich von Lübeck, zog sich um das ganze Land, ehe sie auf Usedom an der Ostsee endete. Und entlang der Ostseeküste schipperten die Boote der Grenzbrigade Küste und versenkten jede Luftmatratze, die außerhalb der Nichtschwimmerbegrenzung zu finden war.
So hat man euch in Bayern die DDR geschildert. Als ein großes Gefängnis aus dem keiner raus durfte und deshalb jeder fliehen wollte.
Eigentlich hätte dieses Weltbild spätestens im Sommer 1989 Risse bekommen müssen. Kannst du dich an die Flüchtlinge in der Prager Botschaft erinnern? Oder an die zehntausenden DDR Touristen, die von Zeltplätzen am Balaton über die österreichische Grenze in den freien Westen geflohen sind?
Hast du dir mal die Frage gestellt, wie die überhaupt an den Balaton oder nach Prag gekommen sind, wenn es nicht irgendeine Art von Reisefreiheit gegeben hat?
Würdest du mir glauben, dass es zwischen der DDR und der Tschechoslowakei überhaupt keine Sperranlagen gab? Keine Mauer, kein Zaun, kein Minenfeld, keine Selbstschussanlagen? Es gab Grenzübergangsstellen, aber die unterschieden sich kaum von denen zwischen Frankreich und Westdeutschland.
Würdest du mir glauben, dass es möglich war einfach mal so in die Tschechei zu fahren? Einfach kurz entschlossen in den Trabi setzen und auf ein Bier rüber nach Tschechland fahren? An der Grenze einfach nur den Personalausweis zeigen und das war's. Gute Fahrt!
Glaubst du wir das, oder meinst du ich erzähle hier Märchen?
Glaubst du mir, dass wir jedes sozialistische Land Europas bereisen konnten? Zugegeben, das war nicht ganz so einfach, dazu brauchte man nämlich ein Visum.
Und die Visa für Polen, Ungarn, Bulgarien udn Rumänien waren limitiert. Unsere Bruderländer waren eher daran interresiert zahlungskräftige Westtouristen ins Land zu lassen, als uns aus der DDR. Mit unseren Aluchips konnten die nämlich nichts anfangen.
Und die SU? Die war damals paranoid. Die hat nicht jeden ins Land gelassen.
Trotzdem konnte man auch die UdSSR bereisen.
Ich hab es getan. Ich habe Moskau gesehen und das Herz Russlands, zwischen Moskau und dem Ural. Ich bin im Tientschan herumgekraxelt, das war kurz vor der chinesischen Grenze. Ich habe im Kaspisee gebadet. Und nein, das ist nicht der größte Süßwassersee der Welt. Der ist verdammt salzig.
Ich habe die Ölfelder Bakus gesehen und den Kaukasus, die endlosen Weiten der Ukraine und die dichten Wälder Weißrusslands.
Ich habe auch Polen bereist. Den "freundlichen" Begrüßungschor "Svabske swine, svabske psie!" (deutsche Schweine, deutsche Hunde) habe ich noch heute im Ohr.
Und das habe ich als normaler Tourist gesehen. Ich hatte keinerlei Previlegien. Ich war nicht mal in der SED.
Ich habe eine junge Frau kennengelernt, die mit Jugendtourist nach Rom gefahren ist. Keine Ahnung welches Vitamin B die hatte um an soclhe Reisen zu kommen! Ich hatte diese Chance nie.
In meinem Dorf wohnt jemand, der zu DDR Zeiten Aufbauarbeit in Syrien geleistet hat. Und nein, er war auch nicht in der SED!
Das alles wirst du mir nicht glauben, denn es widerspricht deinem Bild von der DDR als großem Gefängnis, aus dem niemand heraus durfte.
Die DDR hatte mehr als eine große Macke. Und ich will sie auch nicht wieder zurück.
Aber so, wie sie in den Medien dargestellt wird, war sie eben nicht.
Wer das nicht weiß, der ist dazu verdammt die Fehler der Geschichte zu widerholen. Und in der DDR wurden jede Menge Fehler gemacht.
Vielleicht treffen wir uns ja mal in der realen Welt.
Und dann sollten wir uns auf ein Bier zusammensetzen und über unser Leben in den beiden deutschen Staaten reden.
Einfach nur reden und zuhören was der andere sagt.
Einfach zuhören und versuchen zu verstehen.
Und nicht dem Meinung sein, wir wüßten besser, wie der auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs gelebt hat.