Langsam wird's langweilig. Der point of no return ist in Sachen A400M schon so lange überschritten, dass man wirklich endlich mal aufhören könnte nach alternativen Mustern zu schreien. Ganz besonders nach Krücken wie der AN-70, mit der garantiert nichts besser gelaufen wäre. Stattdessen sollten unsere wackeren Politiker mal der Firma Airbus Dampf machen, vertraglich zugesicherte Leistungen zu erbringen, und sich nicht jedes mal wieder von neuem erpressen lassen.
Den Argumenten "point of no return" und mögliche Nicht-Alternativlösungen stimme ich zu - das hilft in der heutigen Situation überhaupt nicht weiter, ist zudem unrealistisch und wäre zweifellos gesamtwirtschaftlich nochmals deutlich teurer für den Steuerzahler.
Es geht darum, in der
Realität anzukommen - beiderseitig.
Insofern habe ich zu den "wackeren Politikern" eine etwas differenzierte Sichtweise:
Vertraglich zugesicherte Leistungen zu erbringen ist die eine Seite (ich habe Nichts gegen entsprechenden "Druck" eines Auftraggebers, um das Bestmöglichste herauszuholen, wobei hier wahrscheinlich jede A400M Nation seine eigenen Vorstellungen hat) - andererseits sollten baldigst notwendige Anpassungen an die Realitäten einer kompletten und risikoreichen Neuentwicklung eines militärischen Großgeräts erfolgen, um das Programm nicht in eine noch größere Schieflage zu bringen... - was ja nun mit der Absichtserklärung der Nationen zumindest angekündigt wurde.
Eine Einigung auf einen neuen Lieferplan ermöglicht die zeitliche Streckung des A400M Programms zu beiderseitigem Vorteil - die Nationen erhalten über einen längeren Zeitraum jeweils "neue" und leistungsfähigere Flugzeuge; die Industrie und Airbus haben die Chance, die Produktion länger laufen zu lassen, know how zu erhalten und so ggf. mögliche Exporte zu realisieren (was wiederum auch für die Nationen von Vorteil wäre).
Eine Einigung auf einen realistischen Zeitplan zur schrittweisen Implementierung der noch fehlenden Fähigkeiten ist ebenso für beide Partner von Vorteil; alles wächst langsamer auf - die Industrie hat die Zeit, die sie heute einschätzt, um fertig zu entwickeln und die Nationen haben die Zeit, aufwachsende Teilfähigkeiten durch eine robustere Ausbildung zu implementieren. (Ich kann mir vorstellen, dass jetzt wieder der ein oder andere aufschreit, es sei zum Nachteil der Nationen und man solle gefälligst alles sofort und jetzt liefern - aber das ist meines Erachtens ein Trugschluss - wenn A400M jetzt alles in vollem Umfang könnte, wären die Nationen nicht in der Lage, dies Komplexität operativ auch so umzusetzen).
Die Anpassungen vereinzelter Fähigkeiten (oder bestimmter Elemente davon) ist zudem von Vorteil, da hierdurch eine gewisse "Realität des sinnvoll Machbaren" den Einzug hält - auch durch Anpassungen an vielleicht zusätzliche oder geänderte Forderungen der Nationen. Das European Staff Requirement bzw. Lastenheft stammt von 1997 und damals wurde alles hinein geschrieben, was man sich von der "eierlegenden Wollmilchsau" A400M so erhofft hatte (und ja, auch die Industrie hatte entsprechende Entwicklungen in Aussicht gestellt) - in der Realität der sehr langen Entwicklungsperiode seit Erstflug im Dezember 2009 zeigt sich allerdings (neben den techn. Problemen vor allem mit dem Antrieb), dass es an der ein oder anderen Stelle eben doch nicht so einfach war wie ursprünglich angenommen...
Es wurde hier schon viel diskutiert und der Vertrag, so wie er geschlossen wurde, stellte sich im Verlauf vor allem kommerziell zum einseitigen Nachteil der Industrie heraus - nicht nur für Airbus, sondern für alle Unternehmen, die an diesem Vorhaben hängen! Insofern hat es für mich nichts mit "Erpressung" zu tun, wenn die Industrie fordert, den "Aderlass", wie Tom Enders es benannte, zu stoppen oder zu verlangsamen. Und nicht zu vergessen - auch die Nationen tragen einen deutlichen Anteil an manch einer Verzögerung und/oder technischen Problemen, die sich gezeigt haben oder noch zeigen werden...
Ganz im Gegenteil - meiner Meinung nach wäre es nur zum Vorteil der Nationen, nicht auf dem völlig Unrealistischen "ich habe einen Vertrag, nun macht mal" zu beharren, sondern die Industrie entsprechend zu unterstützen - die Restentwicklung nochmals mitzugestalten. Kommerziell geht es vor allem darum, eine durch Verzögerungen erwachsene unrealistische Programmsituation nicht weiter zu verschlimmern - die Talfahrt zu begrenzen, den Unternehmen die Luft zu geben, die sie brauchen, um bestimmte Dinge fertig zu entwickeln. Ein Programm, welches auf nicht absehbare Zeit nur weitere Verluste bringt, ist für keinen Betrieb, ob groß oder klein, ein Motivator - Vertrag hin oder her.
Ich bin mir bewusst, dass meine Sichtweise hier nicht von allen geteilt wird und das ist normal und richtig in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft. Politik hat aus meiner Sicht vor allem etwas zu tun mit "Gestaltung"; mit "Zukunft"; es sind Rahmenbedingungen zu setzen, um den Bürgern langfristig Perspektiven zu geben - Sicherheit, Wohlstand, Sozialsystem, Infrastruktur etc. und was alles dazu gehört. Diese Rahmenbedingungen zu setzen kostet unser Steuergeld. Wir leben in Deutschland, in Europa, in überwiegenden Industrienationen - Luft- und Raumfahrt, die Verteidigungsindustrie und andere hochspezialisierte Firmen gehören dazu.
Politisch geht es um die Verpflichtung des "Gestalten" - nicht um das zwanghafte Abwenden von "Erpressen lassen"... (letzteres wäre ggf. nur noch dann sinnvoll, wenn ich als Politik vorhätte, aus allen rüstungs- und sicherheitspolitischen industriellen Aktivitäten aussteigen zu wollen... man würde die Industrie zwingen zu liefern (was auch immer) und dann den Laden zuschließen... Atomausstieg läßt grüßen!).
so long
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