Moin!
Ich recherchiere hier einen einzelnen Bf 109-Absturz, bei dem laut historischen Wetterdaten vollflächig Nebel herrschte und Temperaturen um 0°C.
Der Pilot, der eine nagelneue Bf 109 überführte, konnte also nicht raus aus diesem Wetter.
Und jetzt ist die Frage: Hatte er Eisprobleme oder nicht? Bei diesen Luftdaten vermute ich mal vorsichtig: ja. Wahrscheinlich kommt noch hinzu, dass er das Eis in diesem Nachtflug nicht gesehen hat - oder wie gut erkennt ein Bf 109-Pilot bei Dunkelheit seine Flügel, weiß das jemand?
Nebel ist in der Metereologie meinem Eindruck nach auf bodennahe Luftschichten beschränkt, und über diese hätte eine Me 109 sicher hinaussteigen können, und der Pilot hätte das so gut wie sicher auch tun wollen, unabhängig davon ob er schon Eis auf den Tragflächen sehen kann oder nicht. (Oft ist das Problem auch eher die Vereisung des Höhenleitwerks, und die hätte er visuell wahrscheinlich kaume erkennen können. Eventuell wäre das aber an veränderten Steuerkräften spürbar.)
Ich würde es für unmöglich halten, anhand der gegebenen Informationen sagen zu können, ob er Eisprobleme hatte. Wenn er bei Nacht mit einer Me 109 in Nebel oder Wolken umherflog, waren seine Überlebenschancen aber ohnehin nicht so toll ... moderne Flugzeugmuster werden oft als "nicht geeignet für den wissentlichen Einflug in bekannte Vereisungsbedingungen" eingestuft, und so wäre sicher auch die Me 109 einzustufen gewesen - und der Pilot wird das gewußt haben.
Ich würde erstmal fragen, was der Hintergrund des Piloten war (Jagdflieger hatten damals meist keine Blindflugausbildung, Kampfflieger schon eher, bei Werkspiloten ist es fraglich, und es gab auch Überführungspiloten und -pilotinnen, deren Hintergrund ich nicht kenne). Außerdem wäre interessant, wie die Wetterbedingungen am Start-Ort waren und wie weit der Pilot vor dem Absturz überhaupt gekommen ist.
Bei Hajo Hermann ("Bewegtes Leben") habe ich gerade gelesen, daß während der Pilotenausbildung teils die Wendezeiger aus den Schulmaschinen ausgebaut wurde, damit die Flugschüler nicht unautorisiert und unausgebildet Blindflug versuchten. Ohne die Ausbildung war die Chance, die Orientierung zu verlieren und trotz einwandfrei funktionierendem Flugzeug abzustürzen, nicht unerheblich, und ohne Wendezeiger war die Versuchung geringer.
Hermann beschreibt auch einen nächtlichen Start mit einer Me 109T von einem Flugfeld mit schlechten Sichtbedingungen, und es ist klar, daß es auch für ihn als voll ausgebildeten und erfahrenen Kampfflieger ein erhebliches Risiko darstellte, fast ohne Sicht zu starten und durch eine dichte, aufliegende Wolkendecke zu klettern. In einem anderen Fall beschreibt er einen nächtlichen Start mit einer Fw 190, mit der er dann eine dichte Wolkenschicht durchstoßen muß ... hier bringt er die Maschine erst unterhalb der Wolken auf Höchstgeschwindigkeit und nutzt dann den Schwung, um möglichst schnell durch die Wolken zu klettern. Und die Fw 190 hätte wahrscheinlich kaum 5 Minuten gebraucht, um "normal" durch diese Wolkenschicht zu kommen.
Ein nicht ausgebildeter Pilot unterliegt in unsichtigen Bedinungen sehr schnell dem Effekt, den man als "Vertigo" oder "Spatial Disorientation" bezeichnet. Es gibt dazu viele Lehr-Videos ... hier ein klassisches Beispiel mit dem Titel "178 Seconds to Live":
... ein anderer relevanter Begriff wäre "unintentional IMC", also etwa "unbeabsichtger Instrumentenflug" - in auf Sichtflug (der ja auch bei Nach möglich wäre) planender Pilot gerät unbeabsichtigt und womöglich überraschend in eine Situation, in der er nach Instrumenten fliegen muß. Das führt auch heute noch regelmäßig zu Unfällen.
Tschüs!
Henning (HoHun)