Türkische Passagiermaschine in Amsterdam abgestürzt

Diskutiere Türkische Passagiermaschine in Amsterdam abgestürzt im Flugunfälle und Flugunfallforschung Forum im Bereich Luftfahrzeuge allgemein; Hallo Peter, spät noch auf den Beinen. Das Stall-Verhalten von großen Jets ist deutlich anders als bei kleinen Flugzeugen. Deswegen tut man auch...
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Hallo Peter,
spät noch auf den Beinen.
Das Stall-Verhalten von großen Jets ist deutlich anders als bei kleinen Flugzeugen. Deswegen tut man auch so viel, dass die Flugzeuge niemals in einen Stall rein fliegen.
Dazu kommen die allgemeinen Charakteristika von Flugzeugen mit gepfeilten Tragflächen, wo der Auftrieb am Außenflügel zuerst wegbricht (wer schon mal in einer B737 gesessen hat sind vielleicht die lustigen kleinen Wirbelgeneratoren etwa auf der 25% Linie der Fläche aufgefallen, hat die Classic über die ganze Fläche, die NG glaub ich nur am Außenflügel, Airbus hat es gar nicht).

Also, ich hab mal ungefähr ein Gross Weight von 55t geschätzt (aus ACAP mit 120 Paxen). Die V_ref ist dann 132kts (gemäß FCOM).
Wenn wir jetzt mal ein "vergleichbares Flugzeug" heranziehen, entspricht das einem CL von 1.59 und einem Anstellwinkel von etwa 6°.
Jetzt lassen wir die Geschwindigkeit um 40kts sinken, sind kann bei 92kts (was in etwa konsistent mit den Berichten ist). Notwendiges CL für 1G Flug ist dann grob 3.1. CL_max ist aber eher bei 2.5ish anzusiedeln, was dann 18-20° AOA ist.
Nehmen wir einfach mal an, dass das Flugzeug bei CL_max verharrt und schauen, wie viel fehlt für 1G. Das ist relativ easy, weil linear.
Sprich: ((2.5-3.1)+1)g = .76g
Also: bei 95kts und Optimum AOA konnte das Flugzeug nur 75% des nötigen Auftriebs erzeugen. Gehen wir jetzt davon aus, dass AOA vielleicht sogar 5° höher war (~23-25°), dann ist das noch weniger.

Pitching Moment Coefficient (im Deutschen gerne Cm) ist übrigens tief negativ für alle AOA>5°, also eine "Pitch Up Tendency" für hohe AOA ist nicht zu erkennen. Ist aber die Frage, wie das Flugzeug getrimmt war. Auto Trim versucht, den Ausschlag des Elevator gegen null zu drücken, wird also zunehmend Nose Up trimmen. Am Ende sollte das HTP fast maximal Nose-Up sein und die Authorität des Elevator nur noch begrenzt sein.
 
Schorsch

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Alien
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... Die sechs Sekunden nach dem ersten Leistung setzen hätten eventuell gereicht, zumindest wären die Triebwerke wieder fast bei vollem Schub gewesen. ...

Und wenn sie nicht gereicht hätten, wäre es dann vielleicht zu einem Aufschlagbrand gekommen?

Gruß, Werner
Hier kann man ne ganze einfache Rechnung anbringen:
[Annahme: Triebwerke auf voller Leistung, Widerstand wie oben errechnet für etwa 95kts]

SET = THR/WEIGHT - DRAG/WEIGHT = T/W - 1/LoD
LoD sind etwa 8-9.
T/W sind etwa .38 (angenommen .3@MTOW)
Dann ist SET = ~.25
Das sind 2.5m/sec2
Oder etwa 5kts/sec.
Hätte man schaffen können. Hätte aber auch trotzdem im Matsch enden können.
 

MPL

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Die Besatzung reagiert leider nicht mehr koordiniert, sonst wären vielleicht nicht mehr die Power Lever zurück ins Idle gezogen worden.
Kleine Korrektur zum Sachverhalt: A/T hat automatisch die Schubhebel in Idle gefahren.

A/T war in Speed Mode und wurde durch die verschiedenen Signale (u.a. Flaps 30 Units [oder größer] und A/P Approach on track [G/S & LOC capture]) auf die Flare Retard Mode vorbereitet. Dann wartet A/T nur noch auf die Meldung A/P Flare oder LRRA <10ft (könnte auch 15ft gewesen sein, müßte ich nachschauen).

Also wurde der A/P2 nicht unterstützt, wie es das Design dieses Systems vorsieht, sonder hat genau in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet.
 
Intrepid

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Kleine Korrektur zum Sachverhalt: A/T hat automatisch die Schubhebel in Idle gefahren.
Ich meinte, wenn nur einer geflogen wäre und nicht der eine die Schubhebel nach vorne schiebt während der andere steuert, dann wäre die Hand an den Schubhebeln geblieben und der Automat hätte sie nicht zurück ins Idle ziehen können. So vergingen kostbare 6 Sekunden, bis es aufgefallen ist.
 
Niaboc_2808

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Diese Datenbusse sind fest verkabelt und es findet kein Switching...

Auf einem anderen ARINC Bus gehen die Signale von beiden LRRA zu den, ich nenne sie einmal Symbolgeneratoren, und von dort zu den Bildschirmen in der Cockpit. Hier gibt es ein Switching falls ein LRRA ausfällt und im Datenwort ein Fail vorhanden ist wird auf den anderen heilen LRRA umgeschaltet, natürlich mit der entsprechenden warnung an die Piloten.

Soweit die Systemarchitektur. Während des ganzen Fluges, also auch schon beim Start, gab es kein Fail von den LRRA's. Wäre ein LRRA1 Fail vorhanden gewesen, hätte der A/T auf den heilen LRRA2 umgeschaltet und es wäre nie zu dem Flare Retard gekommen. Der LRRA1 hat ja 'nur' die inkorrekte Höhe angezeigt und kein Fail gemeldet. Soweit die Theorie.

Was natürlich interessant zu wissen wäre, welche Anzeige hatte der LRRA1 vor dem Start. Gewöhnlich zeigt der LRRA bei Aircraft on Ground -2 bis -4 ft an. Das kommt daher, das 0 ft mit ausgefedertem Fahrwerk definiert ist. Sollte der LRRA1 vor dem Start auch schon -7 ft angezeigt haben, wäre dies kaum aufgefallen.
Die Systemarchitektur einer festen Verdrahtung durch ARINC 429 oder welchen Typ auch immer hätte ich bei einer 737NG nicht erwartet. Also sollte es mal bei Zeiten eine SB geben, bei der ein Switching der LRRAs bei Verlust der Power Supply realisiert wird. :p Meine Annahme war nähmlich, dass der Fehler bekannt war und der LRRA #1 entsprechend inop. gesetzt wurde, indem der CB gezogen wurde und so Autopilot, Autothrottle etc. vom operativem LRRA versorgt wurden. Aber ohne eine Switching Funktion ist dies natürlich nicht möglich. Ergo war meine Vermutung Nonsense...:TOP:


Ansonsten finde ich die Theorie eines defekten LRRA nicht schlecht und ein erkennen des Fehlers am Boden ist beinahe unmöglich. (wenn der Pilot nicht über genügend Erfahrung verfügt um sagen zu können, dass die Anzeige um 4-5ft von normaler On Ground Anzeige abweicht).

Übrigens bin ich dir sehr dankbar für deine ausführlichen Erklärungen MPL. Einen Bedarf an einer "Mechaniker Prüfung" habe ich zwar nicht mehr, aber ein Level III Rating für 737NG könnte ich mir durchaus vorstellen.
Bin bisher eher bei den Business Fliegern technisch bewandert und bei den Airbussen nur mit Entertainment Systemen ala' CIDS;)
 
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Könnte ein Mod diesen Thread eventuell in eine langfristig sichere Ecke verschieben. Hier stehen inzwischen ne Menge wertvoller Sachen drin.
Diese Unfall-Threads entwickeln sich sowieso meines Erachtens sehr positiv, man lernt immer wieder was neues und relevantes, schließlich mit Blut bezahlte Erfahrung.
 
jockey

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Könnte ein Mod diesen Thread eventuell in eine langfristig sichere Ecke verschieben. Hier stehen inzwischen ne Menge wertvoller Sachen drin.
Diese Unfall-Threads entwickeln sich sowieso meines Erachtens sehr positiv, man lernt immer wieder was neues und relevantes, schließlich mit Blut bezahlte Erfahrung.
Seh ich genauso :!:
 
gero

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Auch für einen "nur-Leser" sehr interessant und 100% aufhebenswert!

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MPL

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Die Systemarchitektur einer festen Verdrahtung durch ARINC 429 oder welchen Typ auch immer hätte ich bei einer 737NG nicht erwartet. Also sollte es mal bei Zeiten eine SB geben, bei der ein Switching der LRRAs bei Verlust der Power Supply realisiert wird. :p Meine Annahme war nähmlich, dass der Fehler bekannt war und der LRRA #1 entsprechend inop. gesetzt wurde, indem der CB gezogen wurde und so Autopilot, Autothrottle etc. vom operativem LRRA versorgt wurden. Aber ohne eine Switching Funktion ist dies natürlich nicht möglich. Ergo war meine Vermutung Nonsense...:TOP:
ARINC 429 ist in diesem Fall richtig :TOP: Zuerst einmal nur kurz angemerkt, das mit der Power wird im ATA 24, also Electrival Power gelöst, das aber ein anderes mal. Das mit dem Switching ist immer so eine Sache, ich komme mal wieder auf die Technik zurück, scheint euch ja zu gefallen :red: Ein OEM schreibt für die verschiedenen Computer eine Spezifikation, in der steht z.B. das auf einem ARINC 429 Datenbus die benötigten Daten in einem bestimmten Datenformat und Datenword zur Verfügung stehen müssen. Soweit sogut, hier scheiden sich aber nun die Geister. Und zwar, ich will es mal lapidar in alte und neue Technik aufteilen, auch wenn es etwas hinkt, aber der einfacher halber.

Bei der alten Technik ist es so, das die Systeme, die Daten liefern, alle über einen eigenen ARINC Datenbus z.B. zum A/P verkabelt sind. So liefert also das ILS, LRRA, IRS etc auf ihren Kabeln die daten zum A/P. Das ist natürlich ein ganz schöner Kabelverschlag am A/P (zur Veranschaulichung etwa von der Größe eines Unterarmes eines erwaschsenen Mannes). Im vorliegenden Fall ist das auch beim LRRA so, also A/P1 bekommt die daten über eine seperate Leitung vom LRRA1 und A/P2 bekommt die Daten über eine seperate Leitung vom LRRA2. Da die beiden A/P's über einen sogenannten Crosstalkbus verfügen, können sie die Daten von LRRA1 und LRRA2 vergleichen. Sollte sich nun die Werte der beiden LRRA's über ein gewisses Maß hinaus auseinanderbewegen, würde die A/P's dies als Fehler erkennen und auskuppeln, vorausgesetzt beide sind aktiv (hier war ja nur A/P2 aktiv). Auch zum Auskuppeln würde eine Fail Information im Datenwort eines der LRRA's führen. Dazu eine kurze Erklärung zu Datenwörtern, sie bestehen immer aus der Adresse des liefernden Systems, der eigentlichen Dateninformation, der Fail oder Healthy Information und dem Paritybit. Da Datenwörter bekanntlich nur aus 1 und 0 bestehen, hat man sich eine einfache Überprüfung des Datenwortes ausgedacht. Das liefernde System addiert beim senden alle 1en zusammen und kommt dann auf eine gerade oder ungerade Summe. Ist die Summe gerade wird der Paritybit auf 1 gesetzt, bei ungerade auf 0. Das empfangende System überprüft nun ob der Paritybit zum Datenwort paßt und kann so eine etwaiger Veränderung, z.B. EMI auf der Leitung, feststellen und das Datenword als gut oder schlecht einstufen. Zurück zum Switching. Der A/T Computer bekommt zwar beide LRRA's Signale, aber er vergleicht sie nicht, sondern benutzt LRRA1 solange dieser Healthy meldet, erst bei Fail von LRRA1 schaltet er auf LRRA2 um. Wie ich schon weiter oben schrieb, müßte hier ein Comperator eingebaut werden, damit er, wie der A/P bei zu großer Abweichung der Daten auskuppelt.

Bei neuerer Technik ist man einen Schritt weitergegangen, da die Prozessoren immer mehr in immer kürzerer zeit leisten. Es gibt dort quasi ARINC Ringdatenbusse, die jede Menge von Computern untereinander verbinden. Auf diesen Ringdatabussen sind Millionen von Datenwörter unterwegs und durch die Adresse eines jeden Datenwortes kann der empfangene Computer seine daten selektieren, die, die er nicht braucht schmeißt er einfach weg. Somit bekommt also jeder Computer z.B. beide LRRA Signale, vergleicht sie und arbeitet dann damit weiter. Um die Sicherheit zu gewährleisten, werden diese Ringleitunge immer doppelt, manchmal sogar dreifach ausgelegt (was in etwas zu dem gleichen Kabelverschlag führt....). Beim A320 zum Beispiel die Datenbusse vom Joystick zu den ELAC's und SEC's und weiter zu den Hydraulicactuators. Auch werden wichtige Informationen häufiger auf diese Ringleitungen gesendet.

Und beim nächsten mal nehmen wir uns ein nicht so komplexes System wie den A/P vor, um den im Ganzen zu verstehen habe ich auch nicht nur 3 Tage gebraucht:p

Für heute ist damit die Schulung beendet....


Übrigens bin ich dir sehr dankbar für deine ausführlichen Erklärungen MPL. Einen Bedarf an einer "Mechaniker Prüfung" habe ich zwar nicht mehr, aber ein Level III Rating für 737NG könnte ich mir durchaus vorstellen.
Bin bisher eher bei den Business Fliegern technisch bewandert und bei den Airbussen nur mit Entertainment Systemen ala' CIDS;)
Ohja das liebe CIDS, eine weitere Unbekannte in der Datenwelt....
Und danke für die Blumen, stell dir das Level III Rating nicht so einfach vor. Ich habe das Mitte der 90er Jahre auf 737-300 über mich ergehen lassen müssen. 8 Stunden sind die mit mir durch die dunkelsten Ecken der 737 geschlichen, der Kopf war einfach nur noch leer am Ende der Prüfung. Danach habe ich das Schwarzwaldstübchen mal richtig von innen kennengelernt. Ich bin aber froh darüber so ausgecheckt worden zu sein, auch wenn ich 6 Monate vorher jeden Tag nur mit der 737 zu Bett gegangen bin. Ein Kollege sagte damals zu mir: Wenn Du nachts aufstehst, um irgendetwas in den Unterlagen nachzuschlagen, dann bist du bereit für die Prüfung. So war es auch....

Bis denne
 
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Ist diese Bekanntmachung des Dutch Safety Board schon hier irgendwo verlinkt: *klickmich*.
 
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Erstaunlich, was für ein Niveau in diesem Topic erreicht worden ist! Dieser Grad an Technik ist zwar nur für Insider, aber trotzdem auch für "Schaulustige" interessant. Wir können nur Denjenigen danken, die ihre Mühe und Zeit dafür aufbringen.

Aber, wenn wir schon dabei sind, mal von einem Laien eine Frage:

MPL schrieb:
Der A/T Computer bekommt zwar beide LRRA's Signale, aber er vergleicht sie nicht, sondern benutzt LRRA1 solange dieser Healthy meldet, erst bei Fail von LRRA1 schaltet er auf LRRA2 um. Wie ich schon weiter oben schrieb, müßte hier ein Comperator eingebaut werden, damit er, wie der A/P, bei zu großer Abweichung der Daten auskuppelt.
Es wird immer wieder geschrieben, der LRRA1 habe nicht "fail" gemeldet, er habe lediglich falsch angezeigt. Daher habe der A/T-Computer seine Angaben weiterhin verwertet. Wieso kann ein RadAlt falsch anzeigen ohne "fail" zu melden? Da muss doch intern was nicht in Ordnung sein, oder war es extern an einer Sonde, das Gerät an sich aber war ok? Weiss man das?
 
Carlos G.

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Ist diese Bekanntmachung des Dutch Safety Board schon hier irgendwo verlinkt: *klickmich*.
So geschrieben glaube ich nicht. Habe ich heute auch schon gelesen aber nicht hier verlinkt, da vom 4. März und mittlerweile haben wir (von Boeing) ja ausführlichere Sachen zu lesen bekommen. Z.B. steht in diesem "Bericht" des D.S.B. nicht geschildert, dass der A/T die Schubhebel wieder zurückgefahren hat, lediglich wird gesagt "full power was applied".
 

MPL

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Es wird immer wieder geschrieben, der LRRA1 habe nicht "fail" gemeldet, er habe lediglich falsch angezeigt. Daher habe der A/T-Computer seine Angaben weiterhin verwertet. Wieso kann ein RadAlt falsch anzeigen ohne "fail" zu melden? Da muss doch intern was nicht in Ordnung sein, oder war es extern an einer Sonde, das Gerät an sich aber war ok? Weiss man das?
Ist mir noch nichts bekannt, aber der LRRA ist ein sehr sensibles System. Vom Computer im E&E Compartment laufen 2 Antennenleitungen bis in den hinteren Frachtraum, eine zu der Sende-, das andere zu der Empfangsantenne. Der LRRA arbeitet als Primärradar, daß heißt er sendest über die Sendeantenne eine Trägerfrequenz, auf die eine zweite Amplitude aufmoduliert wird, ab. Dieser abgesendete Strahl wird von der Empfangsantenne zurück zum Computer geleitet. Die Laufzeit des Strahls ist proportional zur Höhe. Dabei muß natürlich die Antennenleitung im Flugzeug abgezogen werden, um ein genaues Messergebnis zu bekommen. Daher darf die Antennenleitungen, z.B. bei Beschädigung am Antennenstecker nur maximal um 20cm gekürzt werden. bei einer weiteren Kabelbeschädigung muß das komplette Kabel gewechselt werden. Reparatur unterwegs geht gar nicht. Auch können schlechte Masseverbindung Antenne - Rumpf zu Problemen führen. Allein vergessene Klebereste auf der Antenne reichen für Fehlanzeigen, nicht umsonst steht außen auf der Antenne: Do Not Paint. Die Antennen sind in den verschiedenen Farben spezialgeschichtet. Natürlich kann auch einfach ein Rechenfehler des Prozessors vorliegen, der nicht zum Fail führt, ein kaputter Filter, bestehend aus Spulen und Kondensatoren kann Störungen auf den Leitungen durchlassen.

Bei einer solchen Beanstandung im Bordbuch, hätte ich zuerst einmal den Computer gewechselt. Wenn der fehler dann Bestand hat, wären die Antennen dran. Als letztes würde eine Reflektormetermessung der Antennenleitungen folgen, die Beschädigungen des Kabels aufzeigen würden. So in etwa würde es vermutlich auch im Troubleshooting Manual stehen.
 
Carlos G.

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Moin, MPL, ich muss mich mal wieder bei Dir ganz herzlich bedanken! Ich glaube auch sagen zu können, dass Du eine ausserordentliche Bereicherung dieses Forums bist. So im Detail habe ich bislang keine technische Erklärungen gesehen. Es macht richtig Spass Dir zuzulesen, selbst wenn man (als Aussenseiter, in meinem Fall) manchmal gewisse kompliziertere Details nicht versteht, aber man versteht zumindest pauschal den Zusammenhang.

(und jetzt versteh' ich auch diese Aufschrift "do not paint" die ich so oft gesehen habe...).

Ich hoffe sehr, in einem anderen Thread diese technischen Aspekte weiterlesen zu können, wenn dieser mal (zwangsläufig) zuende geht.
 
AMIR

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...Bei einer solchen Beanstandung im Bordbuch, hätte ich zuerst einmal den Computer gewechselt. Wenn der fehler dann Bestand hat, wären die Antennen dran. Als letztes würde eine Reflektormetermessung der Antennenleitungen folgen, die Beschädigungen des Kabels aufzeigen würden. So in etwa würde es vermutlich auch im Troubleshooting Manual stehen.
... und ich dachte immer, Fehleranalyse in der IT-Welt sei schwierig. Aber gegen das, was Du hier schreibst, bin ich ja direkt ein Vorschulkind!

Ich kann mich Carlos nur an schliessen, es ist erstaunlich und verblüffend, was dieser Thread für eine Wendung genommen hat! Normalerweise ist hier im FF die Gefahr gross, dass solch ein Thema (Absturz eines Fliegers) ins Reich der Spekulationen abdriftet. Das er aber diesmal komplett in die Flugzeugmechanik gewechselt hat, ist einfach nur genial! Weiter so! :TOP:
 
Niaboc_2808

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Das Problem, dass eine schlechte Masseverbindung erst zu Fehlern führt wenn durch große Flughöhe sich die Zelle zusammenzieht oder auch durch die Druckkabine entsprechend ausdehnt ist mir bei Antennen schon oft aufgefallen. Auch bei Steckern ist dies nicht unüblich.
Des Weiteren kommt es in der Radartechnik oft zu Fehlern die zu völlig falschen Anzeigen führen bedingt durch gebrochene/gequetschte Leitungen oder defekte Stecker. Einfach bedingt durch die Tatsache, dass bei hohen Frequenzen schnell mal Stehwellen oder neue Kapazitäten & Induktivitäten entstehen.
Das Troubleshooting hätte ich an der Cessna Citation und an der Bombarier Global wie MPL durchgeführt. Vielleicht hat die Maintenance ja tatsächlich High Speed Tape oder sogar nen Dummi auf der Antenne gelassen. Die Theorie wurde ja hier auch bereits angedacht.

Zum Funktionsprinzip des LRRA ergänze ich mal ganz unverschämt, dass der LRRA entweder mit konstanter Differenz Freuquenz oder mit konstanter Modulations Periode der Frequenz arbeitet. (Zumindest sind dies die heute üblichen Verfahren). Der Vollständigkeit zu Liebe sei hier auch das Puls Modulationsverfahren erwähnt, dass kaum Anwendung findet. Anhand des Frequenzunterschieds zwischen gerade gesendetem und empfangenem Signal kann die Laufzeit bestimmt werden und daraus entsprechend die Höhe berechnet werden.
 
mcgyvr81

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Auch mal ein dickes Dankeschön @MPL - auch für die Info, dass die Sender/Empfänger im Avionics Compartment sitzen und nicht bei den Antennen selbst!!!

Wenn man jetzt 1 zu 1 addiert, kann man schon erahnen, was technisch am Radioaltimeter passiert sein mag. Zellenbewegung durch die Druckhöhe, evtl. auch Schwitzwasserbildung, dazu etwas Korrosion am Stecker und/oder verschleppte Masse... und dadurch dann eine plötzlich auftretende Signalreflektion am Übergang Kabel-Antenne (HF-Technik ist da seeeeehr eigen), die zum direkten Übersprechen auf die Empfangsleitung führt. Und schwups, empfängt der Empfänger eine Objektdistanz von 0ft. von der Antenneneinheit... passt doch wie A**** auf Eimer.

Um das Niveau nicht in den Keller zu ziehen, will ich diesen Spekulatius aber nicht weiter ausbacken... :D

Gebt dem Thread mal bitte noch Sterne!

mcgyvr out
 
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Mich wundert überdies, wieso die A/T-Logik einen Höhensprung von fast 2000 ft innerhalb kürzester Zeit klaglos verdaut (daraus errechnet sich schließlich eine immense Sinkrate). Wenn ich die Software dazu schreiben würde, würde ich in solchen Fällen zumindest eine Warnung in irgendeiner Form ausgeben.
Überschätze mal nicht die Komplexität von solchen Mechanismen. Die B737NG etwa hat chronisch simple Autopiloten, die teilweise noch auf guter analoger Technik beruhen.
Man kann sich vorstellen, wie durch das RA-Signal ein Schalter gesetzt wird (also 0/1), und kein komplizierter Vergleich mit vorherigen Werten statt findet. Das ist ja auch der Grund, weswegen ich das pilotenfreie (und mit Passagieren besetzte) Flugzeug für eine Idee von Leuten ohne handfeste Erfahrung halte. Einen funktionierenden Regler/Automatismus mit humanen Backup zu machen ist einfach, diesen aber gegen alle Ausfallszenarien abzusichern ist fast unmöglich (speziell weil ich sie ja gar nicht kenne).
 

MPL

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Mich wundert überdies, wieso die A/T-Logik einen Höhensprung von fast 2000 ft innerhalb kürzester Zeit klaglos verdaut (daraus errechnet sich schließlich eine immense Sinkrate). Wenn ich die Software dazu schreiben würde, würde ich in solchen Fällen zumindest eine Warnung in irgendeiner Form ausgeben.
Neuer Systeme machen soetwas auch, z.B. wenn sich ein Wert über sehr kurze Zeit ändert und somit ein anderer Wert unglaubwürdig wird, sowie Du schreibst, oder wenn ein Wert selbst unglaubwürdig ist (Rolllage von 60°).
Leider ist das mit der Software nicht getan, Du mußt schon Hardware in den A/T Computer einbauen, natürlich mit entsprechender Software. Da es dabei um die Core Software des Computers handelt, ist der Zulassungsaufwand und die damit verbundenen Kosten für den Computer sehr hoch. Und wenn Du den Computer zugelassen hast, mußt Du ja auch noch das Flugzeug dazu zulassen. Also ganz so einfach ist das nicht.
 
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