Türkische Passagiermaschine in Amsterdam abgestürzt

Diskutiere Türkische Passagiermaschine in Amsterdam abgestürzt im Flugunfälle und Flugunfallforschung Forum im Bereich Luftfahrzeuge allgemein; Hallo Ich stimme dir schon zu, habe deine Äußerung auch nicht anders aufgefaßt.
gfiftytwo

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Hallo

Full ack, allerdings denke ich auch, dass ich den Ball auch schon hinreichend flach gehalten habe mit meiner Äußerung... was man da in diversen internationalen Foren liest, will ich weder hier vertreten noch rezitieren.
Ich stimme dir schon zu, habe deine Äußerung auch nicht anders aufgefaßt.
 
Carlos G.

Carlos G.

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Das es einen Zusammenhang beim Human - Human Interface gibt bezweifel ich nicht, da liegt in beiden Fällen etwas im Argen. Zumal es auch eigentlich Gesetz ist, daß der Captain in Command die Hände an den Schubhebeln und am Steuer hat, gerade wenn er sich in Final Approach befindet, egal ob mit einem oder beiden A/P als Unterstützung. Dann hätte er das Zurückziehen der Throttles bemerkt und wäre nich 100 Sekunden mit Engines in Idle geflogen.

Bis die Tage
Das ist die Frage, die ich vorher schon gestellt hatte: inwiefern wird das weltweit von den Fluglinien praktiziert/verlangt und auch geübt (für den "worst case scenario")
 
Nummi

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Der 3. Pilot auf dem Jump Seat saß ja mit der Nase vor den Schubhebeln. Zumindest er hätte es rechtzeitig bemerken müssen. Das Ganze erinnert mich an einen Aeroflot Absturz in Schönefeld. Da hat sich die Cockpitcrew bis zum Aufschlag gegenseitig angebrüllt anstatt einfach durchzustarten, obwohl sie vom Controler auf den falschen Anflug hingewiesen wurden.
 

MPL

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Das ist die Frage, die ich vorher schon gestellt hatte: inwiefern wird das weltweit von den Fluglinien praktiziert/verlangt und auch geübt (für den "worst case scenario")
Zuerst das Rechliche: Mit dem Amendment 3 der CS 25 (EASA Bauvorschriften für Commercial genutzte große Flugzeuge) ist der §1302 eingefürt worden. Dort wird für neue Flugzeuge eine Analyse gefordert, die sich mit human - maschine Interface befasst. Wie diese neue Bauvorschrift auch auf ältere Flugzeuge anzuwenden ist, wird gerade heftigst zwischen der Behörde und der Industrie diskutiert.

Dazu gibt es seitens der EASA den Antritt, dem Flugzeug ein human maschine interface Certificate auszustellen.

Also bei dem Interface human - maschine tut sich etwas. Die human - human Interfaces werden natürlich auch geübt, sind Bestandteil vom Simulatortraining und auch in extra Workshops wird dies nachgespielt. Allerdings ist dies durch keine Vorschrift gefordert, sondern wird von den Airlines gemacht oder nicht. Und gegen human - human Fehler in der Cockpit kann kein automatisches System etwas unternehmen. Und wenn die human maschine interfaces richtig entwickelt und ausgefeilt sind, werden sich diese Fehler auch nicht wiederholen. Aus meiner jetzigen Sicht, mit den Informationen die ich zu dem Flugzeug habe, ist das human - maschine interface nicht ausgereift, da der Mensch die Redundanz zum A/T Sytem ist. Wäre jetzt im A/T Computer ein Chip, der den LRRA 1 mit dem LRRA 2 vergleicht, wäre dieser Unfall wahrscheinlich nicht passiert.

Bis die Tage
 
Carlos G.

Carlos G.

Space Cadet
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Ob's stimmt, weiss ich nicht, aber Jemand "von der Industrie" hat mir folgendes zum Thema "globales verstehen der technischen Belange seitens der Crews" gesagt:

Wenn man den auszubildenden Crews alles Wesentliche über die technischen Belange innerhalb der Flugzeugmechanismen bzw. -automatismen beibringen würde/müsste, wären die Kosten der Ausbildung zum Flugzeugführer wesentlich teurer, und für die meisten Airlines untragbar. Deswegen gibt es "standard procedures", die von Fluglinie zu Fluglinie manchmal etwas abweichen, aber auf die "basic flight manuals" der jeweiligen Typen basieren, also Anordnungen an welche sich die Crews zu halten haben, ohne im Detail verstehen zu müssen wie was funktioniert und miteinander koreliert. Und, "on top of that", gibt es natürlich die checklists.

Ich habe mal in einem langen Nachtflug von Europa nach dem südlichen Afrika im Cockpit miterlebt wie der Captain einen der beiden eingeteilten F/O ausgefragt hat, was ihm im kurz davor stattgefundenen Simulatorcheck alles so "an Bösem passiert ist", und die haben das ca. eine Stunde lang miteinander debattiert, er (der Captain) hat immer jeweils im Flughandbuch nachgesehen was dort zur jeweiligen Situation drinnensteht, und verglichen mit dem was der F/O ihm gesagt hat wie er (im Simulator) reagiert hat, dies wurde aber aus purer Neugier an der Sache gemacht und auch um Zeit zu vertreiben, schliesslich dauerte der Flug über 11 Stunden... sowas dürfte aber wohl eher eine Ausnahme sein.

Ich habe auch mal (im Anflug auf FRA) vor Jahren erlebt, wie ein anderer mir befreundeter Captain (auf meinen Wunsch hin) bei bester Sicht eine vollautomatische Landung mit unserer B737-300 durchgeführt hat. Im Endanflug habe ich ihn (in meiner Unwissenheit) gefragt warum er denn trotzdem die linke Hand am Steuerhorn und die rechte auf den Schubhebeln habe. Lapidare Antwort: "Aus Sicherheitsgründen, ausserdem ist es Vorschrift!"

Dies kreuzt sich mMn etwas mit dem was Schorsch weiter oben zur Auswahl gewisser Fluglinien geschrieben hat.
 

manuma

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Also ohne irgendwas schüren zu wollen, glaube ich, dass die den schwarzen Peter bei Boeing suchen werden... dafür brauchts keine Glaskugel.
Wird darauf ankommen, wer für den Defekt des Radio Altimeter verantwortlich ist. Wenn die Schuld in der Wartung von Turkish Airlines zu suchen ist, werden die sehr kleinlaut werden müssen.
Ehrlich gesagt: Die 737 hat schon Millionen von Takeoffs und Landungen hinter sich. Dabei sind mit Sicherheit bisher auch schon Defekte des Radio Altimeter aufgetreten. Wieviele Flugzeuge sind deswegen bereits abgestürzt? Ich kenne keins.

Dass das Autothrottle nicht optimal konstruiert ist, sehe ich auch so. Aber Ursächlich für diesen Absturz war das Unvermögen der Crew, auf diese Situation angemessen zu reagieren. Das ausgefallene RadAlt ist eine schöne Hilfe, dem Piloten das Leben zu erleichtern. Aber es kann nicht sein, dass 2 RadAlt für eine Crew sozusagen zum Minimum Equipment zählen. Insbesondere der Pilot Flying sollte im Anflug meistens eine Hand am Schubregler, die andere Hand am Steuerhorn haben. Der Pilot Not Flying arbeitet dem Pilot Flying zu. Der Grund für eine "Landing Gear Warnung" kann vom Pilot Not Flying und dem "Pilot-in Ausbildung" gesucht werden. Aber auch bei jeder anderen Warnung sollten zwei Leute reichen. Dafür müssen 2 Piloten reichen, 3 Piloten braucht es dafür wahrlich nicht.

Ein Grund gibt es aus türkischer Seite nicht, Vorwürfe an Boeing zu richten. Nicht falsch verstehen, aber ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass keinen Grund gibt, die Schuld bei Boeing zu suchen.
 
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MPL

Fluglehrer
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Wenn man den auszubildenden Crews alles Wesentliche über die technischen Belange innerhalb der Flugzeugmechanismen bzw. -automatismen beibringen würde/müsste, wären die Kosten der Ausbildung zum Flugzeugführer wesentlich teurer, und für die meisten Airlines untragbar. Deswegen gibt es "standard procedures", die von Fluglinie zu Fluglinie manchmal etwas abweichen, aber auf die "basic flight manuals" der jeweiligen Typen basieren, also Anordnungen an welche sich die Crews zu halten haben, ohne im Detail verstehen zu müssen wie was funktioniert und miteinander koreliert. Und, "on top of that", gibt es natürlich die checklists..
Dazu möchte ich zwei Dinge sagen:

Fliegen ist eben teuer!
Kennst Du als Autofahrer alles genau von Deinem Auto?

Es gibt sogar unwichtige Systeme, die den Piloten gar nicht so genau erklärt werden sollen......

Ich habe auch mal (im Anflug auf FRA) vor Jahren erlebt, wie ein anderer mir befreundeter Captain (auf meinen Wunsch hin) bei bester Sicht eine vollautomatische Landung mit unserer B737-300 durchgeführt hat. Im Endanflug habe ich ihn (in meiner Unwissenheit) gefragt warum er denn trotzdem die linke Hand am Steuerhorn und die rechte auf den Schubhebeln habe. Lapidare Antwort: "Aus Sicherheitsgründen, ausserdem ist es Vorschrift!".
Bei schlechter Sicht hätte er mit der B737 auch nicht vollautomatisch landen dürfen, weil es nur 2 Autopiloten gibt. Dazu gibt es u.a. die DH (Desicion heights), bei der dann spätestens der Autopilot ausgekuppelt werden muß. Die DH ist die Sicht in Abhängigkeit von der Höhe über Grund. Dies konnte man früher, als die Cockpittür noch offen stand, immer gut hören, wenn vorne die A/P off Warnung aus der Tröte kam.

Das mit den Händen am Horm und Throttle hatte ich ja weiter oben schon geschrieben, es ist eine der besten Lebensversicherungen und falls die Automatik ausfallen sollte bist Du gleich wieder Herr über das Flugzeug.

Bis die Tage
 
Fw 200 Condor

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EGPWS Mode 4

Moin moin,

Fals noch nicht bekannt, hier ein schöner Schulungsfilm zum Thema EGPWS Mode 4 auf Youtube:

http://www.youtube.com/watch?v=dzRTyZYV3m8

Der Film bezieht sich natürlich nur auf die Funktionsweise allgemein, ist nicht Typenspezifisch und schon garnicht auf die B737 NG zugeschnitten. Die weiteren Modes sind auch bei Youtube vorrätig, einfach nur "EGPWS" als Suchbegriff nutzen.
 

grobols

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Sorry, aber die beiden von dir zitierten Unfälle haben in keinsterweise einen gemeinsamen technischen Zusammenhang.

Bei Birgen Air war ein Pitot Rohr verstopft und hat zu unterschiedlichen Anzeigen der Geschwindigkeit geführt.
Bei Turkish Airlines handelt es sich um unterschiedliche Anzeigen des Radiohöhenmessers.
Dass kein technischer Zusammenhang besteht ist mir sehr wohl klar, deshalb hab ich auch die Ursachen in Klammer gesetzt. ( Einmal Höhe, einmal Geschwindigkeit falsch ) Aber vielleicht hab ich mich nicht ganz klar ausgedrückt. Ich wollte nur die Gemeinsamkeit aufzeigen, dass wegen eines an und für sich lapidaren Fehlers in beiden Fällen, die Crew nicht im Stande war, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das einzige was in beiden Fällen immer noch einwandfrei funktionierte, war der Stick Shaker. Aber selbst bei dieser allerletzten Warnung haben diese Spezialisten noch immer nicht begriffen, warum das Ding so sonderbar fliegt. Möchte aber auch festhalten, dass es zum Glück auch sehr sehr gute Piloten gibt. Wenn da nicht die übrigen unschuldigen Opfer wären, könnte man solche Unfälle unter der Kategorie " natürlicher Ausleseprozess "einordnen. Darunter gehört wahrscheinlich auch der Spanair Unfall vom Sommer ( Flaps ausfahren vergessen )

Gruß Willi
 
Carlos G.

Carlos G.

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Sehr gute Beiträge hier, den Meisten unter Euch ist nur zu gratulieren wie sachlich diese so komplexe Sache angegangen wird.

Zum "natürlichen Ausleseprozess" unter den Piloten, das würde ja (ketzerisch formuliert) schon fast darwinianische Züge annehmen, jedoch stimmt es schon dass wegen der Opfer man davon Abstand nehmen muss.
Aber, nicht allzusehr. Wir sehen anhand der Erkenntnisse der meisten Flugunfälle, dass die meisten hätten verhindert werden können, falls eine konsequentere Ausbildung stattgefunden hätte (aka "flying with your seatpants" oder auf deutsch: "mit dem Hintern fliegen können"). Da wird mMn von Anfang an zusehr auf die Automatik hingewiesen, und darauf hintrainiert. Was ich - auch "von Industrieinsidern" - so gesagt bekommen habe, wie man seitens Airbus beim Training der Piloten gewisser Airlines vorgeht, will ich hier garnicht erst bekanntgeben. Aber es erklärt wieso die "man-machine interface" so oft kläglich versagt. Dass es nur in den eklatantischten Fällen böse ausgeht, ist ein Lob an die Konstrukteure der heutigen Flugzeuge.
 

manuma

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Nochmal eine Frage zum Autopilot: Angenommen der Pilot hätte bei 450 Fuss, als die Stick Shaker aktiviert wurden, anstatt manuell Schub zu geben, den TO/GO Button gedrückt. Das hätte dann doch dazu führen müssen, dass trotz des Autothrottle Modes Retard ein Durchstartmanöver geflogen wird und entsprechende Schubeinstellungen vorgenommen werden.

Ist das nun so richtig?
 
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Ötzi

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Birgenair Absturz

Nach Langer Suche bin ich nun endlich auf die Aufnahme der letzten Sekunden des Birgenair-Kokpits gestoßen.

Es handelt sich um den Birgenair-Flug 301, bei welchem am 6, Februar 1996 eine Boeing 757 der Birgenair einige Minuten nach dem Start vom Flughafen Puerto Plata ins Meer gestürzt war und dabei 189 Menschen ihr Leben verloren, davon 169 deutsche Urlauber.

Die Ursache des Absturzes war hier auch technisch in Verbindung mit der Fehlinterpretation der beiden Piloten und der falschen Reaktion insbesondere des Co-Piloten.

Es war am Boden versäumt worden, die Staudrucksonde der Boeing 757 abzudecken bzw. isloieren zu schützen, weshalb die Geschwindigkeitsanzeiger beider Piloten beim Flug nach take-off defekt waren bzw. die Geschwindigkeit höher angezeigt wurde, als sie tatsächlich ist.

Von daher sind die beiden Abstürze sich nicht unähnlich. Hier handelt es sich nur um die Fehlinterpretation der Piloten in Bezug auf die Fluggeschwindigkeit nach dem Start und nicht Flughöhe unmittelbar vor der Landung aber das Prinzip ist gleich.

Ich wünschte, ich könnte die Aufnahmen kopmlett hören. Hier hört man nur etwa die letzten 30 Sekunden, das geht unter die Haut, insbesondere wenn man türkisch kann.
Die Maschine startete um 23.41 und strüzte um 23.47 Uhr ab.

Der Pilot merket, daß die Maschine nach dem Start zu langsam ist und greift ein und schreit zum Co-Piloten:
"Gashebel ! Gas! Gas! Gas! Gas! Gas!
Nicht Ziehen! Nicht Ziehen! Nicht Ziehen! Nicht Ziehen! Nicht Ziehen! Ziehen Sie nicht!
Was passiert denn Mensch?!?!

Cockpit voices:

http://img531.imageshack.us/my.php?image=tuerkucakkazasisonkonuswr4.flv

Der komplette Unfallbericht (pdf):
http://www.flightsafety.org/ap/ap_oct99.pdf
 

manuma

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Mal ein ganz anderer Gesichtspunkt:

Als die Stick-Shaker Warnung kam, war das Flugzeug nur 450 Fuss hoch.

Die Frage wie stark der Anstellwinkel und dementsprechend der Stall zu diesem Zeitpunkt war, ist noch offen. Fest steht nur, dass die Airspeed 40 Knots betrug.

Selbst, wenn ATHR danach umgehend deaktiviert worden wäre und die Schubhebel sofort ganz nach vorne geschoben worden wären und dort geblieben wären, dauert es noch ein bisschen um die Maschine aus dem Stall-Zustand rauszubringen. Die Frage wäre nun, ob eine Höhe von 450 Fuss den Piloten genug Zeit gelassen hätte, das Flugzeug aus dem Strömungsabriss in eine normale Fluglage zu bringen.

Ich denke zwar, dass es möglich gewesen wäre, das Flugzeug zu retten, aber abschließend kann das nur ein Simulator-Test beantworten.

Fest steht nur, dass so wie sich diese Crew verhalten hat, in dem Autothrottle nicht ausgeschaltet wurde und die Hände von den Schubreglern wieder weggenommen wurden, es nicht hat gehen können.
 
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Nochmal eine Frage zum Autopilot: Angenommen der Pilot hätte bei 450 Fuss, als die Stick Shaker aktiviert wurden, anstatt manuell Schub zu geben, den TO/GO Button gedrückt. Das hätte dann doch dazu führen müssen, dass trotz des Autothrottle Modes Retard ein Durchstartmanöver geflogen wird und entsprechende Schubeinstellungen vorgenommen werden.

Ist das nun so richtig?
Wenn der TO/GA Switch gedrückt wird, geht das Autothottle in den Thrust Mode und setzt den maximalen Schub je nach berechnetem Go-Around Limit. Gleichzeitig hält der Rollkanal den Track über Grund (Track Hold) und der Pitch Kanal leitet eine Mindeststeiggeschwindigkeit von 120 ft/min, bei einem positivem Bahnwinkel von +0,5° ein.:!:

Dafür müssen die Piloten aber auch entsprechend ein Durchstartmanäver einleiten wollen, was in meinen Augen nicht unbedingt der Fall gewesen ist. In meinen Augen wollte die Crew lediglich mehr Schub geben um die Landung vollenden zu können. Vermutlich war die Crew sich der Gefahr, warum auch immer, erst im letzten Moment bewusst. :?!
(Aber wie gesagt, rein spekulativ. Die genau Analyse überlasse ich den Boeing Experten:TOP:)

Was sich mir als nicht ganz logisch erschließt ist die Annahme, dass der Flare- bzw. Retard Mode wegen der ständigen Radio Height von -8ft automatisch eingeleitet worden ist.
Dann hätte doch der Flare Mode bzw. der Retard Mode direkt mit Ausfahren des Fahrwerks und dem Capture Punkt des Glideslope und Localizer eingeleitet werden müssen, oder? :confused:
Zudem hätte dann die Crew doch auch die Absicht gehabt haben müssen, automatisch zu landen, was mit einem defekten LRRA nicht zulässig ist!
 

MPL

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Moin moin zusammen,

erstmal möchte ich mich Carlos anschließen und mich auch bei allen anderen für die doch recht sachliche Diskusion hier bedanken. Andere Foren (gerade die englisch sprachigen) halten das doch etwas anders, dort wird bereits um den Schuldigen gestritten.

Nun zu euren heutigen Fragen bzw Beiträgen:

Wenn der TO/GA Switch gedrückt wird, geht das Autothottle in den Thrust Mode und setzt den maximalen Schub je nach berechnetem Go-Around Limit. Gleichzeitig hält der Rollkanal den Track über Grund (Track Hold) und der Pitch Kanal leitet eine Mindeststeiggeschwindigkeit von 120 ft/min, bei einem positivem Bahnwinkel von +0,5° ein.:!:!
Hierzu muß ergänzt werden, daß der Rollkanal des Autopiloten dies übernimmt und das es für den Rollkanal level wings heißt.

Was sich mir als nicht ganz logisch erschließt ist die Annahme, dass der Flare- bzw. Retard Mode wegen der ständigen Radio Height von -8ft automatisch eingeleitet worden ist.
Dann hätte doch der Flare Mode bzw. der Retard Mode direkt mit Ausfahren des Fahrwerks und dem Capture Punkt des Glideslope und Localizer eingeleitet werden müssen, oder? :confused:!
Das die Schubhebel in Idle standen ist bestätigt, mir liegen entsprechende Emails von Boeing vor. Ich hatte weiter oben schon geschrieben, wann der A/T Computer die Schubhebel zurücknimmt (flare retard), das Ausfahren vom Fahrwerk oder G/S oder Loc caputre gehören nicht dazu. Die Flare Mode wird erst kurz vor dem Aufsetzen sowohl vom A/P als auch vom A/T eingeleitet, Sinn des Flare ist es, Restgeschwindigkeit abzubauen, dies wird seitens des A/P mit Nase hoch und seitens des A/T mit Schubhebel in Idle erreicht.

Zudem hätte dann die Crew doch auch die Absicht gehabt haben müssen, automatisch zu landen, was mit einem defekten LRRA nicht zulässig ist!
Auch hier liegst Du falsch, natürlich darf man mit einem defektem LRRA automatisch landen, nur man sollte schon wissen mit welchem System. Außerdem meldete keiner der beiden LRRA einen Defekt, es gab keine Fail Flag, es war halt 'nur' die Anzeige falsch. Solche Fehler kannst Du der Automatik nur über Vergleich von 3 Systemen beibringen, in diesem Fall wäre das dritte System der Mensch gewesen und das hat nicht geklappt.

Die Frage wie stark der Anstellwinkel und dementsprechend der Stall zu diesem Zeitpunkt war, ist noch offen. Fest steht nur, dass die Airspeed 40 Knots betrug.
Die Speed lag definitiv 40 kts unter der am MCP voreingestellten Landung Speed. Ich glaube nicht, das eine 737-800 noch mit 40 kts zu fliegen ist, 60 wär schon hart an der Grenze. Ich entsinne mich noch an die Air Data Test, die wir damals an den Fliegern in der Halle gemacht haben. Das Testgerät fing erst mit 60 kts an und ich meine auch der MASI (Mach/Airspeed Indicator) der 737-200 beginnt erst bei 60 kts. Auf der 737-200 hab ich angefangen zu lernen, bei diesem Flugzeug stimmte das Design noch, leider hat Boeing seitdem das Design an der 737 nich verändert. Auch die heute so modern ausehenden Muster entstammen dem Desingn von 1965, ist als Techniker leider so zu verzeichnen.

Selbst, wenn ATHR danach umgehend deaktiviert worden wäre und die Schubhebel sofort ganz nach vorne geschoben worden wären und dort geblieben wären, dauert es noch ein bisschen um die Maschine aus dem Stall-Zustand rauszubringen. Die Frage wäre nun, ob eine Höhe von 450 Fuss den Piloten genug Zeit gelassen hätte, das Flugzeug aus dem Strömungsabriss in eine normale Fluglage zu bringen.
450 ft entsprechen ca. 130m, wenn der stick shaker anspricht verbleiben 10 kts bis zum Strömungsabriss. Da zu diesem Zeitpunkt die Truebwerke immer noch in Idle standen, baut sich die SPD in Bruchteilen von Sekunden ab, auch wenn Du schnell die Schubhebel nach vorne schiebst, auch die Triebwerke brauchen natürlich etwas Zeit, um dieser Anforderung nachzukommen (Erinnert sei der 320 in Moulhouse, wo die Triebwerke hörbar aufheulen, als das Flugzeug schon in den Bäumen verschwunden war). Das Problem beim Stall ist, der Auftrieb reißt ab und das Flugzeug fällt wie ein Stein vom Himmel. Bei großer Höhe gibt es die Chance, das Flugzeug abzufangen, wenn denn wieder ausreichend Schub und damit SPD (=Bewegung des Flugzeuges nach vorne) vorhanden ist, aber dies sind Flugmanöver, die mit viel Glück und auch nicht wirklich berechnet werden können, zuviel Einflüsse kommen in einem solchen Fall zum Tragen. Bei 450 ft hast Du keine Chance das Flugzeug wieder in eine stabile Lage mit den uns bekannten Voraussetzungen zu bekommen, da hätte die 100 Sekunden, wo die Schubhebel in Idle standen (ist auch bestätigt) etwas passieren müssen. Und das sollte eine Crew im 'Arsch spüren', wenn das Flugzeug immer langsamer wird, naja und die Hände und und und.....

Gruß von der Werft und bis die Tage
 
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Von diversen Augenzeugen wurde ja auch von einem heftigen Aufbäumen des Flugzeugs unmittelbar vor dem Stall berichtet. Also zusätzlich dazu, dass der AP ohnehin schon einen deftigen NU pitch getrimmt haben muss, um den Vogel bei ~100kts CAS auf dem G/S zu halten.

Ich habe bisher nur gelesen, dass die Schubhebel gegen den A/T auf Anschlag geschoben wurden, nichts jedoch von einer ND-pitch via Steuerhorn. Zu spekulieren wäre, ob der PIC, aufgrund der sowieso schon geringen Höhe, den Flieger möglichst ohne Pitchänderung nur mit Schub aus der stall-nahen Situation fliegen wollte - rein durch Schubgabe... und es dabei dann durch den NU pitch beim spool up zum beschriebenen Aufbäumen und endgültigen Strömungsabriss gekommen ist. :!:

Man bedenke, dass "der Alte" sich seine Sporen ursprünglich auf der F-4 verdient hat, wo es Schubbedingte Änderungen der Trimmung nicht (oder zumindest nahezu nicht) gibt... evtl. Instinkthandlung?

Na ja, man wirds vom DFDR erfahren, früher oder später...
 
Intrepid

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manuma

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Moin moin zusammen,

Die Speed lag definitiv 40 kts unter der am MCP voreingestellten Landung Speed.
Entschuldigung, das war mein Fehler. Ich hatte das falsch verstanden. Natürlich 40 Knots unter der eingestellten Geschwindigkeit am MCP.

Danke für deine sehr ausführliche Antwort :TOP:

Dann hätte ich eine weitere Frage zum Autopiloten:

Wenn man selber das Yoke (Steuerhorn) ergreift (es nach hinten zieht, nach vorne drückt, etc.), erfolgt dann aus Sicherheitsgründen ein Autopilot Disconnect bei einer Boeing 737?

Bleibt der Autopilot trotz Stick Shaker aktiv oder erfolgt dort ein "Autopilot Disconnect"?

Für den Fall, dass einmal das Left Radio Altimeter ausfällt, gibt es doch bestimmt eine Abnormal Checklist? Wie wäre denn nun das Vorgehen?

Man würde wohl ziemlich sicher A/P A abschalten, A/T abschalten und wohl den entsprechenden Circuit Breaker ziehen. Soweit kann ich mir das denken.
 
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manuma

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Ich habe bisher nur gelesen, dass die Schubhebel gegen den A/T auf Anschlag geschoben wurden, nichts jedoch von einer ND-pitch via Steuerhorn. Zu spekulieren wäre, ob der PIC, aufgrund der sowieso schon geringen Höhe, den Flieger möglichst ohne Pitchänderung nur mit Schub aus der stall-nahen Situation fliegen wollte - rein durch Schubgabe... und es dabei dann durch den NU pitch beim spool up zum beschriebenen Aufbäumen und endgültigen Strömungsabriss gekommen ist. :!:
Ich hatte spekuliert, dass er den Yoke ergriffen hat um die Flugzeugnase zu drücken, damit die Maschine beschleunigen kann. Wäre für mich logisch gewesen ;)
 
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Ich hatte spekuliert, dass er den Yoke ergriffen hat um die Flugzeugnase zu drücken, damit die Maschine beschleunigen kann. Wäre für mich logisch gewesen ;)
Für mich auch... aber Yoke nach vorne bei Stick Shaker sollte niemals zu einem Aufbäumen führen, das ist es, was mich ein wenig dabei bewegt...
 
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