Ich darf dazu aus meiner Zeit etwas beisteuern.
Beim NATO-TACEVAL 1981 (Taktische Überprüfung durch die NATO) standen wir genau vor dem Problem. Man hatte uns mit einer 4-Ship F-4F den Auftrag gegeben, ein Ziel über der Nordsee anzugeifen. Dieses bestand aus einer F-4, die einen "Hooter" (gegnerischer Bomber, der elektronische Kriegsführung betrieb) simulierte. Diese wurde von einer 4-ship F-15 aus Sösterberg beschützt.
1. Aufgabe:
Wie kommt man überhaupt vom Platz weg ohne von dem weitreichenden Radar der F-15 sowie deren Monitor-Fähigkeiten für Radio und Radaremmissionen entdeckt zu werden.
Lösung: Absolute Funkstille über den geamten Flug, Starterlaubnis wurde mit Lichtzeichen vom Kontrollturm gegeben, und da der Flug unter VMC durchgeführt wurde war auch kein Funkkontakt mit ATC erfolgt. Abfluggeschwindigkeit nicht größer als 250 KIAS, da wir annahmen, dass die F-15 Ziele mit dieser Geschwindigkeit entweder nicht erfassen können oder ignorieren werden. Das IFF (Freund-Feind-kennung) blieb in der Standby-Position, da die F-15 eine Abfragemöglichkeit hatte. Das Abfangradar blieb ebenfalls in Standby.
2. Aufgabe:
Wie erhält man Informationen über das Ziel von GCI (Bodengebundene Radarstaion), ohne daß dadurch unsere Position verraten wurde.
Lösung: Es wurde eine willkürliche Koordinate in der Nähe des voraussichtlichen Zielgebietes über der Nordsee gewählt, die als "Bullsey-Point" (Referenzpunkt) mit GCI über Telefon abgesprochen wurde. Nach unserem Start, der GCI vom Geschwadergefechtsstand per Landleitung mitgeteilt wurde, begann GCI die Position des Gegners in Relation zum Referenzpunkt mit Flugrichtung und Flughöhe zu senden. Jetzt wußten wir immer, wo wir hinfliegen mußten.
3. Aufgabe:
Wie können wir uns dem Ziel soweit annähern, dass wir unsere Waffen (wir hatten nur die Aim 9L und die Bordkanone, wir mußten also auf mindestens 1,5 NM ran) einsetzen konnten, bevor wir selbst abgeschossen wurden?
Lösung:
Da wir nun die Position des Gegners kannten, flogen wir das Zielgebiet tangential an. Dazu muss man wissen, dass ein Doppler-Radar Ziele aufgrund der Annäherungsgeschwindigkeit erkennt und darstellt. Fliegt man folglich nicht direkt auf das Ziel zu sondern in einer tangentialen Kurve, hat man zunächst nur eine geringe Annäherungsgeschwindigkeit. Dabei flogen wir in relativ enger Formation unter 500 Fuß und nur mit ca. 300 KIAS. Das brachte uns in den Osten des Zieles, obwohl wir aus Süden von Wittmund erwartet wurden.
4. Aufgabe: Wie ist der Zielendanflug zu gestalten, damit die Escort-F15 das Ziel soweit verlassen, dass das Ziel abgeschossen werden konnte?
Lösung:
Sobald wir unbeobachtet uns in den Ostbereich des Ziels gemogelt hatten, teilten wir unsere 4-ship in zwei 2-ships auf, und beschleunigten mit Max AB.
Dabei fungierte eine 2-Ship als Köder und näherte sich einem Punkt, der ungefähr 20 NM südlich des Zieles lag. Das erfolgte in taktischer Formation (Abstand ca. 2 NM nebeneinander) und im Steigflug. Ich beschleunigte mit meiner 2-ship kurze Zeit später in weniger als 1.000 Fuß auf über Mach 1 und flog im Tiefstflug direkt auf das Ziel zu, setzte dann zu einem Steigflug an (wie bei einem Immelmann) und flog so direkt von unten auf das Ziel zu.
Sobald GCI bemerkte, dass sich zwei F-15 zum Abfangen unserer als Köder dienenden 2-ship näherte, erhielt diese direkte Zielinformationen von einem zweiten Kontroller. Aufgabe dieser 2-Ship war, sich nicht auf einen Kampf einzulassen sondern ab zu drehen.
5. Aufgabe: Der Waffeneinsatz
Im Steigflug bei einer Entfernung von unter 5NM wurde das Abfangradar aktiviert und das Ziel kurze Zeit später sowohl mit dem Radar wie auch mit Sicht aufgefasst. Es bestand nur noch aus einer F-15 und dem simulierten ELOKA-Ziel, die F-15 erhielt einen Treffer durch die AIM-9L meines Wingman, und ich beharkte das eigentliche Ziel (simuliert durch eine F4) mit der Bordkanone (für einen Raketeneinsatz war ich einfach bereits zu nahe dran). Beide Treffer wurden durch die Filmkamera zweifelsfrei dokumentiert.
6. Aufgabe: Rückflug nach Hause, ohne nicht doch noch abgeschossen zu werden.
Lösung: Nach dem simulierten Waffeneinsatz umsetzen der Höhe in Geschwindigkeit, was zu einem satten Überschallflug führte (damals ging über der Nordsee noch vieles) Radar in Standby und ab Richtung Heimat.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es von unserer Seite aus nur zwei Funksprüche, die von meinem Wingman (Fox-2 on F-15.... Position, und meine Erfolgsmeldung Fox-3 on Hooter). Auf dem Weg nach Hause gab es dann nochmals einen Kill, die Köder-Two-Ship hatte unseren Rückzug gedeckt und konnte eine F-15 (das war die Maschine die sich zuvor zwischen Ziel und Köder befand) abschießen, die uns noch attackieren wollte.
Ergebnis mit Erkenntnissen aus der Flug-Nachbesprechung zusammen mit den Besatzungen der F15:
Wir hatten unseren Auftrag erfüllt und das gegnerische Ziel (Hooter) abgeschossen. Zwei der 4 Begleitflugzeuge F-15 wurden ebenfalls bestätigt abgeschossen und das ohne eigene Verluste.
Es hatte alles geklappt wie geplant. Unsere amerikanischen Freunde hatten nicht mit den "dirty playing Germans" = Original-Ton aus der Nachbesprechung gerechnet. Sie hatten uns aus Süden erwartet, wir kamen aus dem Osten. Sie hatten sich auf Ihre elektronischen Gadgets (Radar, IFF-Abfrage, Radio-Monitoring) verlassen, wir hatten alles abgeschaltet. Sie hatten uns von oben mit Überhöhung und aus der Sonne erwartet, wir kamen von unten. Sie versuchten die Informationen von GCI für sich auszuwerten, und konnten damit nichts anfangen. Dann hatten Sie die Köder-2-Ship entdeckt da diese als erste den Steigflug eingeleitet hatten. 2 F-15 hatten dann das zu schützende Ziel verlassen um anzugreifen, und endeten zunächst in einer sinnlosen Aufholjagd, da unser Köder nach Erkennen der Zielerfassung abgedreht waren. Nur eine F-15 blieb direkt beim Ziel, da die andere als Deckung zwischen unseren Köder und die Zielposition manöveriert hatte. Da wir von unten angriffen, hat uns weder das Ziel selbst noch die verbleibende F-15 erfaßt oder gesehen. Die Filme der Schießkamera zeigten zwei schöne "Belly-Shots". Nach unseren Funksprüchen über den Waffeneinsatz ließen beide F-15 von unserem Köder ab und flogen zurück ins Zielgebiet, die verbleibende F-15 faßte uns mit dem Radar auf und verfolgte uns, um dann von der Köder-Flight abgeschossen zu werden.
Es hat uns gezeigt, dass es nicht nur auf die Fähigkeiten des Flugzeuges ankommt, sondern auf das Gesamtpaket Mensch, Maschine und Hirn. Und natürlich "Dirty Tricks".
Sowas läßt sich nicht in kurzen Worten erzählen, und ich fand es passend zum vorstehende Beitrag von Wiesener.
franzl