Spekulation über die Absetzung der Junkers Ju 288

Diskutiere Spekulation über die Absetzung der Junkers Ju 288 im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Moin! Naja, dann ist das vielleicht ein Anlaß, mal mit der entsprechenden Fragestellung nach historischem Material zu gucken. Hinterfragen ist...
HoHun

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Moin!

Im Fall der Ju 288 sehe ich nicht ein, warum der Einbau von zusätzlichen MGs und Panzerung eine realistischere Option für das Bestehen gegen alliierte Jäger darstellte als der Schnellflug - zumal wenn dadurch zwei Jahre verloren gehen.
Naja, dann ist das vielleicht ein Anlaß, mal mit der entsprechenden Fragestellung nach historischem Material zu gucken. Hinterfragen ist immer lohnend, aber man sollte auch den Wissenstand der historisch tatsächlich Beteiligten berücksichtigen. Der Arbeitsbomber ist ein Beispiel dafür, dass die Luftwaffe auch andere Möglichkeiten als den Bomber B geprüft hat ... wenn Du Dir mal die Geschichte des Blohm-und-Voss-Projektes P.170 ansiehst, findest Du vielleicht noch mehr.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
Junkers-Peter

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Soll jetzt keine Werbung sein (ich verdiene ja eh nichts mehr dran), aber ich empfehle zu diesem Thema das Buch, das ich mit dem geschätzten Kollegen Hans-Peter P. über das Bomber-B-Programm geschrieben habe. Das ist antiquarisch noch erhältlich. Darin wird eigentlich recht gut geschildert, warum es in Richtung mehr Panzerung und Bewaffnung und nicht in Richtung noch schneller ging.



Das Kapitel über die Ju 288 ist ausschließlich von mir verfasst, ich musste mich da aber stark einschränken, da die 191 im Mittelpunkt stand, und das Buch ist ja nun auch schon vor über 10 Jahren erschienen und es ist inzwischen etliches Neues dazugekommen, so dass vielleicht nochmal was zur Ju 288 kommt, wo dann alles rausgehauen wird. :TD: Das betrifft auch den großartigen Jumo 222.

Kurz zum Thema: Man war der Auffassung, dass der Jäger ohnehin immer schneller als der Bomber sein würde, und man keine unnötigen Mühen in ein paar km/h mehr stecken wollte. Wobei die 288 C mit rund 630 km/h kein langsames Flugzeug gewesen ist. Die Ju 288 war in den GL-Besprechungen recht oft Thema, so dass man zu diesem Aspekt sicher noch mehr finden kann. Ich werde mal nachsehen.

Achs so: Wenn jemand mal die originale Bomber B-Ausschreibung in die Hände bekommen sollte: Ich wäre sehr interessiert daran, denn die ist bis heute noch nicht aufgetaucht.

Arbeitsbomber: War da nicht mal in der Luftfahrt International ein Beitrag über das entsprechende Heinkel-Projekt?
 
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Was die Motorenfrage anbelangt, scheinen jedenfalls die technischen Probleme des Jumo 222 nicht maßgebend für seine Zurückstellung gewesen zu sein. In Niederschrift über die Besprechung mit dem RLM am 10.12.1941 in Dessau heißte es:

"JFM berichtet über den derzeitigen Stand des Musters, speziell über Läufe eines JUMO 222 in C/D-Ausführung auf der Bremse, bei denen nachstehende Leistungen und Laufzeiten erzielt wurden.
6 Stunden 2100 PS 2900 U/min.
10 Stunden 2300 PS 2875 U/min.
13 Stunden 2400 PS 3000 U/min.
3 Stunden 2500 PS 2950 U/min.
2 Stunden 2600 PS 3100 U/min.
kurz 2900 PS bis 3150 U/min.

Die Aussichten, das Muster im Bomber B noch zum Einsatz zu bringen, sind gegenüber der letzten Entwicklungs-Besprechung noch geringer geworden.
Selbst für den JUMO 222 C/D mit 2400 PSe würden diese Aussichten, da er, roh geschätzt, etwa im Frühjahr 1942 in 0-Serie gehen, also vor Anfang 1943 nicht reif für Start einer Vor- und Groß-Serie sein, also kaum vor Ende 1944 in der Groß-Serie starten könnte, gering sein. Die Entscheidung bezgl. des Triebwerks des Bombers B dürfte also wohl in allernächster Zeit zu Gunsten des Daimler-Benz-Doppelmotors DB 610 fallen.
Es erscheint jedoch nicht aussichtslos, den Bomber B später wieder für den flüssigkeitsgekühlten Sternmotor einzufangen. jedoch müsste dann die Ausgangsleistung des Sternmotors schon gleich der Endleistung des Doppelmotors DB Sie sein, also etwa bei 3000 bis 3200 PSe liegen. Der Sternmotor müsste also schon etwa in der Größenordnung von 70 li liegen, wobei noch zwischen dem 6-Reihenstern der derzeitigen Zylindereinheit und einem 4-Reihenstern mit größerer Zylindereinheit zu wählen wäre."

Und am 24.6.1942:

"Grundsätzlich erscheint das Muster für einen Serienbau, dies gilt nach vom RLM angestellten Ermittlungen auch für die Fertigungsseite, geeignet. Jedoch kommt für den Einsatz der Bomber-B wohl nicht infrage, da er für die derzeitige Leistung und auch die im Motor noch steckenden Reserven von vornherein zu schwach ausgelegt wurde. Thermisch ist der Motor nach den bisherigen Ergebnissen nicht schlechter als der JUMO 211 und JUMO 213."

Danke an den Diesel-Freak, der mir diese Archiv-Auszüge zur Verfügung gestellt hat!

Gruß Rainer
 
Junkers-Peter

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Was die Motorenfrage anbelangt, scheinen jedenfalls die technischen Probleme des Jumo 222 nicht maßgebend für seine Zurückstellung gewesen zu sein.
Letztendlich doch. Ich habe hier einen ganzen Ordner mit Prüfstandsberichten und Besprechungen. Daraus ergibt sich das Bild, dass der 222 Mitte 1941 noch erhebliche Probleme hatte und darüber hinaus eine Leistungssteigerung im Raume stand. Die entscheidende Besprechung war am 30. August 1941, in der der 222 vom Serienprogramm abgesetzt worden ist. Er sollte aber in der Entwicklung mit geringerer Priorität weiterlaufen.

Wie oben schon erwähnt, empfehle ich das Buch, in dem auf breiter Dokumentenbasis die Geschichte des 222 erzählt wird.

Einen 222 C/D gab es übrigens Ende 1941 noch gar nicht, höchstens 222 mit Zylinderköpfen ähnlich des später geplanten C/D. Und ein C/D-Vollmotor schaffte es bis Kriegsende nicht auf den Prüfstand.
 
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Letztendlich doch. Ich habe hier einen ganzen Ordner mit Prüfstandsberichten und Besprechungen. Daraus ergibt sich das Bild, dass der 222 Mitte 1941 noch erhebliche Probleme hatte
Die 2000 PS Version? Ferdinand Brandner vertrat ja die Meinung, dass man diese hätte fertigen können.
 
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Ferdinand Brandner schreibt zu diesem Vorgang in „Ein Leben zwischen den Fronten“:

"Jeder Fachmann wußte, daß sich die Serienreifmachung, die wichtigste Phase der Entwicklung, tief in die Serienproduktion hineinzog. So wurde die Typenprüfung des Jumo 211 erst gemacht, nachdem die Ju 88 bereits im Einsatz war. Meist waren es die winzigen Defekte, die früher angesichts der klassischen Defekte an Lagern, Kolben und Ventilen vernachlässigt worden waren; sie verursachen dann im Serienbau die großen Verzögerungen. Das waren der Schmierölkreislauf in großen Höhen und im Rückenflug, Verschleiß- und Fritterscheinungen an den verschiedensten Bauelementen, Korrosionserscheinungen im Wasserkreislauf. Diese Defekte treten erst nach vielen Stunden und meist erst im Flug auf. Schließlich hatten wir drei Jumo 52 im Flugeinsatz auf Flügen von Dessau über die Alpen nach Athen, Paris und Turin, und unsere Bodenerprobung erstreckte sich über alle verfügbaren Prüfstände (...)

Am 24. Dezember 1941 wurde der Beschluß, den Jumo 222 in die Ju 288 einzubauen, offiziell vom RLM mit dem Hinweis widerrufen, daß die Startleistung von 2000 PS und die Betriebsreife für den vorgesehenen Zeitplan nicht ausreiche. Der Entschluß war voreilig. Er kam gegen die Meinung des Vorstandes des Junkers-Motorenwerkes zustande und war typisch für die Unfähigkeit des RLM (…)

Die Erinnerungen von Milch sprechen von der nicht erreichten Serienreife, weshalb die Zurückstellug des Motors verfügt worden sei. Anderseits wurde vom damaligen Leiter der FMO-Planungsstelle, Ing. Anton Steeger (nach dem Krieg 25 Jahre Vorstandsmitglied d Humboldt-Deutz-Motoren A.G.), der zur Umplanung nach Berlin-Marienfelde entsandt worden war, festgestellt, daß dieser DB 603 sich noch im Stadium der Entwicklung bzw. in der Nullserie befand und erhebliche Kinderkrankheiten in ihm steckten. Uber einige 25-Stunden-Läufe war er bis dato nicht hinausgekommen. Demgegenüber hatte der Jumo 222 in Dessau bereits zwanzig 100-Stunden-Läufe absolviert und war absolut Großserienreif." (S.75ff.)

Brandner überschreibt das Kapitel mit "Die kriegsentscheidende Tragödie des Jumo 222" und sein Duktus macht deutlich, dass er auch emotional getroffen war und sich ungerecht behandelt fühlte. Daher ist seine Aussage zwar interessant, aber auch mit Vorbehalt zu sehen.



Gruß Rainer
 

HolgerXX

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Wenn wir schon beim Jumo 222 sind, gibt es jemanden der die These vertritt, oder auch gerade nicht, ein bisschen mehr Zinnzuteilung für die Bleibronze-Gleitlager, und der Motor wäre ein Erfolg geworden? (Nach Brandner o. war er das sowieso schon...)

Grüße, Holger
 
Junkers-Peter

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@t7710
Brandner war ein genialer Konstrukteur und nicht umsonst nach dem Krieg Chef des Junkersteams, das 1946 in die SU verschleppt worden ist und für die Russen das NK-12 konstruierte.

Man merkt seiner Autobiographie aber an, dass er damals keine Originaldokumente zur Verfügung hatte. Er datiert die Ereignisse aus der Erinnerung und damit oftmals falsch. Das mit dem Jumo 211 und der Ju 88 ist beispielsweise nicht richtig. Die Musterprüfungsläufe für den Jumo 211 waren bereits 1937 und der Serienanlauf der 88 zwei Jahre später.

Brandner hat mehrfach zum 222 geschrieben in den 50/60er Jahren nach der Heimkehr nach Österreich - in den einschlägigen Zeitschriften wie "Flugwelt".

Für ihn war es wahrscheinlich eine Tragödie mit dem Jumo 222 und eine Ju 288 Mitte 1942 in größeren Stückzahlen wäre uns gut zu Gesicht gestanden an der West- aber auch an der Ostfront. Bei einem auf den Prüfständen stabileren Motor Mitte 1941 hätte das RLM kaum gute Argumente gegen einen Serienanlauf des 222 haben können. Man weiß halt nicht, wie sich die Sache weiterentwickelt hätte, wenn das Brandnerteam mit dem selben Kräfte- und Materialansatz (in erster Linie Prüfstandskapazität) hätte weiterarbeiten können.
 
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@t7710
Brandner war ein genialer Konstrukteur und nicht umsonst nach dem Krieg Chef des Junkersteams, das 1946 in die SU verschleppt worden ist und für die Russen das NK-12 konstruierte.

Man merkt seiner Autobiographie aber an, dass er damals keine Originaldokumente zur Verfügung hatte. Er datiert die Ereignisse aus der Erinnerung und damit oftmals falsch. Das mit dem Jumo 211 und der Ju 88 ist beispielsweise nicht richtig. Die Musterprüfungsläufe für den Jumo 211 waren bereits 1937 und der Serienanlauf der 88 zwei Jahre später.

Brandner hat mehrfach zum 222 geschrieben in den 50/60er Jahren nach der Heimkehr nach Österreich - in den einschlägigen Zeitschriften wie "Flugwelt".

Für ihn war es wahrscheinlich eine Tragödie mit dem Jumo 222 und eine Ju 288 Mitte 1942 in größeren Stückzahlen wäre uns gut zu Gesicht gestanden an der West- aber auch an der Ostfront. Bei einem auf den Prüfständen stabileren Motor Mitte 1941 hätte das RLM kaum gute Argumente gegen einen Serienanlauf des 222 haben können. Man weiß halt nicht, wie sich die Sache weiterentwickelt hätte, wenn das Brandnerteam mit dem selben Kräfte- und Materialansatz (in erster Linie Prüfstandskapazität) hätte weiterarbeiten können.
Man muss die Absetzung des 222 natürlich auch vor dem zeitlichen Hintergrund sehen: Milch hatte gerade von Udet endgültig übernommen, die Probleme mit der Zuverlässigkeit des BMW 801 und seiner Serienfertigung auf dem Höhepunkt, die Me 210 ein Blindgänger - da brauchte es schon einen sehr breiten Rücken, um dem Jumo 222 in die Serie zu geben.

Brandner scheint ja auch sehr eigenwillig gewesen zu sein und besaß vielleicht auch nicht die volle Rückendeckung aller Junkers-Leute. Vielleicht spielte auch das eine Rolle, Zitat Brandner:
"Ich anerkannte vorbehaltlos, daß ich ohne die fachliche und mitschöpferische Tradition des alten Junkersstabes das neue - mein - Konzept nicht hätte verwirklichen können. Trotzdem war es unvermeidbar, daß sich gegen mich als jüngsten Neuling im Triebwerksbau und erst während des NS-Regimes eingestellten Österreicher von den Zugehörigen der »alten Garde« so etwas wie eine Front bildete, die über das Ende des Junkerswerkes hinaus, ja sogar bis heute spürbar geblieben ist (...) Eine Reihe von Defekten, die während der 100-Stunden-Prüfläufe auftraten, wurden nun - von einer bestimmten Gruppe als Vorwand benützt, Sturm gegen diese RLM-Entscheidung (Anm: der Serienfertigung) zu laufen. Das Schicksal der Luftwaffe hing mit davon ab, daß die Ju288 als schnellster Kampfjäger so schnell wie möglich die Ju 88 ersetze."

Und dann habe ich den Eindruck, dass man damals zum Teil noch weitgehend friedensmäßig, auch im Sinne privatkapitalistischer Konkurrenz, dachte: Während bei Junkers die Kapazitäten für die parallele Entwicklung der Motoren 213 und 222 nicht ausreichte, hat man zur gleichen Zeit in Oberursel die Entwicklung der 2-Takt-Flugmotoren mit erheblichen Investitionen in Personal, Werkstätten und Prüfständen hochgezogen. Bemerkenswert.

Gruß Rainer
 
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Die ursprüngliche Bomber B-Ausschreibung von 1939 sah einen Mittelstreckenbomber vor, dessen Hauptwaffe die Geschwindigkeit sein sollte. Die Reinschrift dieses Bombers war die Baureihe A mit 3 Mann Besatzung und Jumo 222, vmax = 660 km/h mit 4 - 1 t Bomben und Reichweiten von 7000 - 1000 km.
An anderer Stelle fragst Du ja nach der Original Bomber B-Ausschreibung: Ist denn das Auforderungsprofil der Ausschreibung überhaupt sicher überliefert?

Was mit der Absetzung des Jumo 222 geschah, ist in Wahrheit das genaue Gegenteil dessen, war Horst Boog und Holger Lorenz etwas verschwörungstheoretisch behaupten: Mit der Trennung des Projektes vom Motor Jumo 222 und dem Umschalten auf den DB 610 hielt sich das RLM die Möglichkeit offen, die größere 288 B überhaupt weiter am Leben zu erhalten. Ob diese Vergrößerung eine so gute Idee war, bezweifle ich, aber man wird ja nicht annehmen, dass Milch die Forderungen an die 288 unter Umgehung des Generalstabes und der Kampfflieger im Alleingang erfunden hat.

Im November 1941 haben Rechlin-Ingenieure einen Vergleich des DB 603 mit dem Jumo 213 durchgeführt und dabei die Überlegenheit des Junkers-Motors ("ein gewaltiger Fortschritt") und die Möglichkeit einer 2200 bis 2400 PS-Version beschrieben. Möglicherweise hat dies den letzten Anstoß gegen den Jumo 222 gegeben, da das RLM sich nicht imstande sah, Junker die Ressourcen für die parallele Entwicklung von zwei Hochleistungs-Motoren zur Verfügung zu stellen. Bereits im März des Jahres erhielt Daimler-Benz von RLM den Auftrag für die Entwicklung des 16-Zylinder DB 609, womit die Verzettelung der deutschen Motoren Entwicklung komplett gemacht wurde.

Gruß Rainer
 
Junkers-Peter

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Die Anforderungen an den Bomber B lassen sich indirekt aus den ersten Projekten der 288 von Junkers herleiten. Ebenso gibt es eine Gegenüberstellung aus Rechlin der "geforderten Bomber B-Werte" mit den errechneten Werten der Fw 191 (unser Buch auf S. 41) und eine Tabelle "Gegenüberstellung der Technisch-Taktischen Richtlinien für das Kampfflugzeug B und der Fw 191 vom Juli 1940 (durch Entwurfsabt. FW, Obering. Andreas v. Faehlmann) (unser Buch auf den Seiten 95-98). Allerdings sind die Tabellen von Mitte 1940, so dass es Unterschiede zur ursprünglichen Ausschreibung ein Jahr zuvor geben kann.

Die Forderungen an den Bomber B und auch die 288 kamen vom Generalstab. Das RLM und das C-Amt hatten diese Forderungen umzusetzen. Hier gab es natürlich einen Austausch, siehe die Besprechungen GL/Genst. (Generalluftzeugmeister - Generalstab). In vielen Dingen saß aber anscheinend das RLM am längeren Hebel, da der Generalstab beispielsweise vehement den Jumo 222 forderte, aber das RLM trotzdem den DB 606/610 durchsetzte.

Budraß vertritt die These, dass der 222 abgesetzt worden ist, um die Vorherrschaft von Koppenberg zu beenden (s. seine Befugnisse im Ju 88-Programm, Ju 88-Vollmacht von Hitler) mit der Trennung von Jumo 222 und Ju 288. Milch nahm quasi eine Schwächung der Luftrüstung in Kauf, um Koppenberg abzusägen.
 
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@Junkers-Peter
Danke, ich muss doch mal antiquarisch suchen. Ich hatte Euer Buch mal per Fernleihe geliehen, aber damals nur den Abschnitt über den Jumo 222 gelesen, der mich fasziniert. Ich denke immer noch das Detaillierteste, was man über den Motor lesen kann.

Die Boog-These halte ich für geschüttelten Unsinn.

Gruß Rainer
 
HoHun

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Brandner scheint ja auch sehr eigenwillig gewesen zu sein und besaß vielleicht auch nicht die volle Rückendeckung aller Junkers-Leute. Vielleicht spielte auch das eine Rolle, Zitat Brandner:
Ich habe gerade "Ein Leben zwischen Fronten" zu Ende gelesen ... Brandner hat ja lebenslang immer alles richtig gemacht, jedenfalls seinem eigenen Buch zufolge. Wenn (im Ausnahmefall) mal etwas nicht perfekt lief, dann war das immer die Schuld von anderen.

Wenn jemand mit so einer Grundeinstellung eine Autobiographie schreibt, dann war natürlich auch der Jumo 222 ein Erfolg ... das würde ich jetzt nicht überbewerten.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Moin!

Ich habe meinen vorherigen Beitrag mal um zusatzlich Daten aus Luftfahrt International 12/79 ergänzt, in der der Arbeitsbomber im Rahmen eines Artikels von Manfred Griehl zur Do 217 (und Do 417, die der Beitrag von Dornier zum Arbeitsbomber war), erwähnt wurde:

Arbeitsbomber

ca. 4/1942, Führungstab Generalluftzeugmeister:
  • Rolle: Arbeitsbomber soll Stückzahlen gegenüber Bomber B steigern, der durch Doppeltriebwerke aufwendig ist.
  • Stückzahl: Ca. 25% Bomber B, 75% Ju 88/Ju 188/Arbeitsbomber
  • Ausrüstung: 3 Mann, Panzerung, B-, C- und Heckstand
  • Forderung: Arbeitshöhe 8 km, sturzflugfähig

22.5.1942, Milch:
  • Forderungen: 3000 km Reichweite, 1000 km Eindringtiefe, 700 km/h Höchstgeschwindigkeit, 1000 kg Bomben, 3sitzig, 14 - 16 t Fluggewicht.
  • Rolle: Ablösung für He 111, Ju 88, Ju 188.
  • Serienbau: Ab Mitte 1944.
Griehl: Am 22.5.1942 erfuhr Heinkel vom Arbeitsbomberprojekt, die anderen Hersteller erst im Rahmen der später herausgegebenen offiziellen Ausschreibung an Junkers, Blohm und Voss, Focke-Wulf und Dornier.

22.7.1942:
  • Griehl: Technisches Amt, Abteilung GL/C E-2/II gibt die allgemeinen Richtlinien für ein leistungsfähiges Arbeitsflugzeug heraus. Serienanlauf sollte Ende 1945 bis Anfang 1946 sein. Motoren BMW 801E, DB 603A oder DB 623. Einfacher Aufbau, Vollsichtkanzel, wirkungsvolle Defensivbewaffnung mit A- und B-Stand sowie vierrohriger Hecklafette. Kein Kampfkopf wie bei der Ju 188, dafür freies Schußfeld in die "Hauptangriffsrichtung" vorn. Bordschütze vorn ist auch Bombenschütze, Funker, Navigator. 1500 kg - 2000 kg Bombenlast über 1250 km Distanz. Mittlere Geschwindigkeit 600 km/h in 7000 m.

13.6.1942 Major Storp:
  • Forderungen: 600 km/h Höchstgeschwindigkeit ist realistischer und reicht.
  • Rolle: Ablösung für He 111, Ju 188, Do 217, parallel zu oder als Ersatz für Bomber B. Außerdem Kampfzerstörervariante.

22.7.1942 GL/C-E
  • Serienbau: Ab 1945/46
  • Forderungen: Verwendung von serienreifen Motoren (BMW 801, evtl. DB603/Jumo 213), sturzflugfähig, einfach, robust, klein, 2500 km Normalreichweite, 2000 kg Bomben als Außenlast, < 17 t Abfluggewicht, 700 km/h Höchstgeschwindigkeit bei 50% Treibstoff (ohne Bomben), 4,5 G sicheres Lastvielfaches, 750 km/h auf 1 km Höhe höchstzulässig

25.8.1942
  • Major Storp wird versetzt, Arbeitsbomber wird nicht mehr gefragt.
Griehl Major Storp und Major von Dittfurth waren "wichtige Gönner" von Heinkel und sind zu diesem Zeitpunkt in andere hohe Positionen im Stab des Generalquartiermeisters versetzt worden.

1.9.1942
  • Heinkel stellt eine Mappe mit allen erarbeiteten Vorschlägen im direkten Vergleich zusammen.
  • Ausrüstung: B- und Heckstand, 4 x 20 mm
12.1.1942
  • Griehl: Die Arbeiten an der Do 417, Dorniers Entwurf für das Arbeitsflugzeug, werden eingestellt.
Die Do 417 hatte folgende Eckdaten:

n sicher beim Abfangen 4,5
Zulässige angezeigte Gleitfluggeschwindigkeit in 1000 m Höhe 750 km/h
4 Mann Besatzung
Sturzflugbremse, Panzerung für Geräteseite der Motoren, Panzerung für B- und Heckstand
DB 603A oder DB 603G, Luftschrauben 4blättrig mit 3,8 m Durchmesser
3400 L Kraftstoffvorrat
Bombenschlösser unter dem Rumpf, zusätzlich optional 15 x 50 kg Bomben im Rumpf (oder Reihenbildkameras)
62 m^2 Flügelfläche
21,4 m Spannweite
Höchstgeschwindigkeit bei mittlerem Fluggewicht in 8 km Höhe 600 km/h mit Kampfleistung (2 x ca. 1475 PS)
Dauergeschwindigkeit bei mittlerem Fluggewicht in 7,4 km Höhe 560 km/h mit Dauerleistung (2 x ca. 1350 PS)
Reichweite bei Dauergeschwindigkeit in 7,4 km Höhe mit 2 t Bomben und 2,4 t Kraftstoff 2050 km.
Rüstgewicht 11670 kg
Kraftstoff 2400 kg
Schmierstoff 240 kg
Fluggewicht 17250 kg

Tschüs!

Henning (HoHun)
 

adama

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Der alliierte Bomberkrieg war kein Mittel um den Krieg zu gewinnen, auch wenn Harris sich dies erhoffte. Nachdem Deutschland die Sowjetunion angegriffen hatte und nicht bis 1943 besiegen konnte, konnte der Bomberkrieg die Deutschen zu falschen Entscheidungen veranlassen. Und das hat geklappt und klappt auch noch 80 Jahre danach, wenn Experten glauben durch Vergeltungsangriffe auf England eine eine Wende des Krieges zu erreichen. Hitler hatte längst eine Alternative zur Ju288. V1 und V2. Hätte Hitler zugunsten der Ju288 auf diese verzichten sollen? Ja, dann wäre der Baby Blitz wohl mit der Ju288 durchgeführt worden und bei der geplanten Produktion von 100 pro Monat wären von diesen 100 am Ende des Monats nur noch 10 übrig gewesen. Einfach weil alleine die Briten jedem Bomber einen Nachtjäger und 10 Tagjäger gegenüberstellen konnten, ohne dabei ihre Ostfront zu entblößen. Denn dort hatten sie auch eine zahlenmäßige Überlegenheit und quasi die Luftherrschaft. Dazu haben die Briten dann noch mehr Bomber und Jabos produziert als die Deutschen Jäger. Wo sieht der Experte hier eine Siegchance?
Der alliierte Luftkrieg hat früh dazu geführt, dass sich die deutsche Luftwaffe zersplitterte und die einzige kleine Hoffnung, Russland, mit einer effektiven Unterstützung aus der Luft zu besiegen, wurde früh aufgegeben. Weil Deutschland den Bomberkrieg begegnen, ja gewinnen wollte. Ja, die Verluste der alliierten Bomber waren hoch. Aber sie hatten am Ende des Monats trotzdem mehr Bomber als zu Anfang eines Monats. Die Zahl der Bomber wuchs, die Zahl der deutschen einsatzfähigen Jäger sank und Bomber wurden zu Nachjägern umgebaut, trotz wachsender Produktionszahlen. Die Zahl der alliierten Jabos und Jäger wuchs im gleichen Maße. Die Not war so groß, dass manche Experten vorschlugen den Alliierten 1 Monat freie Hand zu geben, erstmal eine Luftstreitmacht aufzubauen um gleichwertige Kräfte aufzubieten. Doch wie der Baby Blitz zeigte, oder auch Unternehmen Bodenplatte, viele andere Unternehmen, hätte das nichts geändert. Am Ende eines Monats wäre man wieder am Anfang gewesen hätte wieder einen Monat gebraucht um wieder zahlenmäßig aufzurüsten. Diese Taktik, das kennt doch jeder aus dem Computerspiel, führt nur dann zum Erfolg, wenn man den Endgegner besiegt, keine neuen Gegner nachkommen. Doch den Endgegner konnte man genauso wenig aus der Luft besiegen wie Bomber Harris dies mit seinen Bombenkrieg gegen Deutschland schaffte. Da ist eine Diskussion über die Siegchancen der Tschechoslowakei, wenn sie sich gewehrt hätte, noch realistischer.

Gruß
Adam
 
Junkers-Peter

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Es gibt im Luftfahrt International-Heft Nr. 22 einige Originalunterlagen von Heinkel zum Arbeitsbomber. Darin sind auch die Dokumente, die Griehl teilweise zu seinem Artikel verwurstet hat.

Zeichnungen und Angaben zu den Projekten P1065 und P 1066, die Heinkel daraufhin ausgearbeitet hat, sind auch vorhanden.

Die ganze Arbeitsbomber-Geschichte war wohl schon Mitte/Ende 1942 wieder gegessen, denn danach konnte ich nichts mehr finden. Man hat sich dann auf die Ju 88/188-Familie versteift.

Es gibt übrigens auch in einer GL-Besprechung vom 15.12.42 einen kurzen Vergleich Do 417-Ju 188. Ist zwar ein wenig OT, aber hier trotzdem. Die 417 ist dann auch gestrichen worden:
 
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adama, alles richtig, aber auch eine müßige Überlegung. Es ging nur noch um die Frage, wo die Atombombe der Amerikaner zum Einsatz kommt. Die Entscheidung für deren Bau gab es schon am 9. Oktober 1941. Seit dem Dezember 1941 stand ja der Ausgang des Krieges längst fest. Sicherlich noch nicht für viele Zeitgenossen, doch für die Verantwortlichen mit Weitblick.
Beim Bomber Harris ging es um den Beitrag der RAF, die für das Empire entscheidende Schlacht im Atlantik zu gewinnen. Es hatte eine mit Deutschland vergleichbare Technik und Produktionsleistung. Auch die SU profitierte davon, wenn die deutschen Kräfte in der Reichsverteidigung gebunden waren.
PS
Ansonsten lese ich mit Interesse, wie sich die meisten Zeitgenossen jener Zeit auf die Aufgabenstellungen konzentrierten.
 
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Es gibt im Luftfahrt International-Heft Nr. 22 einige Originalunterlagen von Heinkel zum Arbeitsbomber. Darin sind auch die Dokumente, die Griehl teilweise zu seinem Artikel verwurstet hat.
Ah, vielen Dank. Auf diesem Heft beruhten tatsächlich meine ersten Notizen, aber ich hatte mir dummerweise nicht die genaue Ausgabe notiert.

Die ganze Arbeitsbomber-Geschichte war wohl schon Mitte/Ende 1942 wieder gegessen, denn danach konnte ich nichts mehr finden. Man hat sich dann auf die Ju 88/188-Familie versteift.
Ich vermute, die Konstruktion eines neuen Musters, das bei höherem Gewicht bessere Leistungen erzielen sollten, wenn keine wesentlich besseren Motoren verfügbar waren, hat sich nicht gelohnt. Der Jumo 222, der für den Arbeitsbomber gar nicht vorgesehen war, wäre ja dieser wesentlich bessere Motor gewesen, der einen Leistungsprung eines zweimotorigen Musters ermöglicht hätte.

Interessanterweise zweifelte nach den Dokumenten in Heft Nr. 22 ja selbst Major Storp schon zu Anfang an der Erreichbarkeit den von Milch gewünschten 700 km/h für den Arbeitsbomber. Die Do 417 sollte nach dem Artikel von Griehl nur 600 km/h erreichen, und nach der von Dir beigesteuerten GL-Besprechung war sie sogar langsamer als die Ju 188 - wobei die Ju 188E mit BMW 801D nach einem Bericht der Erprobungstelle Rechlin ohne Außenlasten, ohne Flammenvernichter bei 11,7 t mit Kampfleistung nur 510 km/h in 5,9 km Höhe erreichte. (Die Do 417 sollte ihre 600 km/h in 8 km Höhe erreichen, also wäre sie nach diesen beiden Datenpunkten bei gleichem Motor immer noch etwas schneller gewesen.)

Aus der Heinkel-Aktennotiz: "RLM, LC 2, soll sich bisher nie klar zu diesen Forderungen geäussert, sonder mehr oder weniger ablehnend verhalten haben unter Hinweis auf den Bomber B." ... wer war denn LC 2? Diese Positionsbezeichnungen verwirren mich immer.

Interessant am Rande: Bei den "Forderungen des Führungsstabes an Generalluftzeugmeister für Zerstörer" steht ausdrücklich "Bugrad: erwünscht, wenn sonstige Forderungen nicht darunter leiden". Ich hab's schon länger nicht mehr gelesen, aber ich meine, daß es früher immer diesen Spruch gab, daß das RLM dem Burgradfahrwerk als "amerikanischer Erfindung" gegenüber ablehnend eingestellt war :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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