Im Weltraum ohne Weltraumanzug?

Diskutiere Im Weltraum ohne Weltraumanzug? im Raumfahrt Forum im Bereich Luftfahrzeuge; Von Sauerstoff- und anderer Aufnahmefähigkeit ... so dass auch die Links in den Beiträgen #1 und #29 offenbar vergessen worden sind, in denen der...
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Von Sauerstoff- und anderer Aufnahmefähigkeit

Und ich hatte befürchtet, die Diskussion sei im Lauf des letzten Jahres entschlafen... :)
... so dass auch die Links in den Beiträgen #1 und #29 offenbar vergessen worden sind, in denen der selbe Vorfall, über den die "Moon Machines" letztens im Fernsehen berichtete, bereits thematisiert wurde:
www.geoffreylandis.com schrieb:
"At NASA's Manned Spacecraft Center (now renamed Johnson Space Center) we had a test subject accidentally exposed to a near vacuum (less than 1 psi) in an incident involving a leaking space suit in a vacuum chamber back in '65. He remained concious for about 14 seconds, which is about the time it takes for O2 deprived blood to go from the lungs to the brain. The suit probably did not reach a hard vacuum, and we began repressurizing the chamber within 15 seconds. The subject regained conciousness at around 15,000 feet equivalent altitude. The subject later reported that he could feel and hear the air leaking out, and his last conscious memory was of the water on his tongue beginning to boil."

Reference: NASA JSC "medlib/jsc.nasa.gov"
Mir ist unklar, wie der Anzug aufgebaut war und was der abgerissene "Versorgungsschlauch" nun genau für einer war. Klar wird aus deinem Beitrag jedenfalls, pok, dass der Mann in der Unterdruckkammer zwar Symptome von Sauerstoffmangel zeigte, aber keine [bzw. nach obigem Link -> Zunge(!) nur leichte] Symptome einer Dekompressionsschädigung. Diese ist der Taucherkrankheit sehr ähnlich und ab einer gewissen Dauer/Intensität - genau wie Sauerstoffmangel - tödlich.

Was das Druckverhältnis von Lunge zur Atemluft betrifft, so muss ich AMX grds. zustimmen. Und wenn die Atemwege eines Organismus im Vakuum mit einem umgebungsunabhängigen Atmungssystem (z. B. vom Lebenserhaltungssystem) verbunden sind, beeinträchtigt das Umgebungsvakuum weder unmittelbar die Atmung noch irgend einen zum Atmen nötigen Druck. Die Druckregulierung des besagten Pleuraspalts
besteht ja zwischen Lunge und Atemluft. Und das ist in der Raumfahrt normalerweise nicht die Umgebungsluft respektive das Umgebungsvakuum.

Das Tödliche am Vakuum ist darum auch nicht die Druckdifferenz, die ein Atmen (am Gerät) unmöglich machen würde, sondern der Unterdruck, der unabhängig von einer funktionierenden Lungenatmung ein Ausperlen der Gase in den Körperflüssigkeiten auslöst und durch Embolien insbesondere den Blutkreislauf (und damit die Sauerstoffresorption und -versorgung) zum Erliegen bringt. Davon betroffen sind natürlich auch die Lungenalveolen, deren feine Verästelungen zu den anfälligsten Körperstellen für Vakuumschädigungen gehören. Man könnte im Vakuum also auch reinen Sauerstoff atmen, und trotzdem würde man durch Mikroembolien in den Lungenbläschen dabei ersticken.

Deshalb bestehen Raumanzüge ja aus zwei Hauptkomponenten: einem geschlossenen Atmungssystem und einer Umgebungsdruckregulierung im gesamten Anzug. Hinzu kommen noch Strahlungsschutz, Lichtschutz, Steinschlagschutz und Klimatisierung mit Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung.

1n luftigen :engel: Gruß
aus dem luftlehren Raum
 
pok

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Druckbeatmung

... Die Druckregulierung des besagten Pleuraspalts
besteht ja zwischen Lunge und Atemluft. Und das ist in der Raumfahrt normalerweise nicht die Umgebungsluft respektive das Umgebungsvakuum.
...[/QUOTE]

Wenn es so waehre, koennte man im Vakuum atmen. Aus der Beschreibung und der Skize geht aber hervor, das es eine Unterdruck im Pleuraspalt gibt, der die Lunge "aufspannt". Druckbeatmung geht ( in sehr engen Grenzen ! ) nur wenn der Pleuraspalt relativen Unterdruck hat. Im Vakuum haette der Pleuraspalt aber relativen Ueberdruck.
 
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pok schrieb:
Wenn es so waehre, koennte man im Vakuum atmen.
Das kann man mit Atemgerät auch! Jedenfalls die mechanische Atmung funktioniert im Vakuum weiter, weil Lunge, Pleura, Atemwege und Atemluftquelle ein geschlossenes System bilden, deren Druckverhältnis untereinander vom Vakuum nicht verändert wird.

Was durch das Vakuum (genauer: seinen hohen Unterdruck) verändert wird, ist der Gasaustausch im Organismus, der nach kurzer Zeit trotz weiterhin stattfindender mechanischer Atmung - infolge Emboliebildung - keine Sauerstoffaufnahme durch die Lunge und keine Blutzirkulation mehr ermöglicht.

Zu den Symptomen der Unterdruckerkrankung gehören keine Atembeschwerden, pok. ;) Die mechanische Atmung funktioniert unter erhöhtem und unter vermindertem Umgebungsdruck gleichermaßen. Ein Taucher, der schnell in die Tiefe und ebenso schnell wieder auftaucht, wird keine Atemprobleme haben. Beim schnellen Auftauchen entstehen ggf. Schmerzen durch die Ausdehnung der luftgefüllten Körperhöhlen. Was die Taucherkrankheit ausmacht, ist die Veränderung des Gasaustauschs im Körpergewebe.

Auch beim Aufstieg zum Stratosphärenflug eines Flugzeugs kann der Pilot bei abnehmendem Umgebungsdruck weiterhin problemlos durch die Sauerstoffmaske atmen. Was ihm dort oben Probleme macht, ist nicht sein Lungendruck, sondern ein anderer, bereits ausführlich dargelegter Effekt, der die von HDP genannte Armstrong-Linie darstellt. Dies ist der Grund, warum ab einer Flughöhe von 15 km aufwärts ein Höhendruckanzug getragen wird.

Ich fasse zusammen: die Atmung im Vakuum scheitert an zwei Phänomenen – am Sauerstoffmangel und am Unterdruck. Der Unterdruck behindert nicht die mechanische Atmung, aber den Gasaustausch. Ist doch eigentlich ganz einfach, oder?
 
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Da bleibt einem die Luft weg...

Man, das ist aber ganz schön starker Tobak für 18jährige Gymnasiasten, HDP!

Auch wenn der Inhalt der Facharbeit zum hiesigen Thema nicht medizinisch in die Tiefe geht, sondern eher die Geschichte beleuchtet, hat die genaue Aufzeichnung solcher Grausamkeiten jedenfalls den Wert, dass die Frage nach dem Holocaust nicht von der eigenen Weltanschauung abhängen muss, sondern sich die damals zugetragenen Dinge beweisen lassen.

Auch wenn die Untersuchungsergebnisse vor Ort nicht deckungsgleich mit den Berichten an vorgesetzte Stellen waren, unterstelle ich den Ärzten in der Regel zutreffende Aufzeichnungen. Folge der Vakuumexposition ist also eine einsetzende zentrale Zyanose, Bewusstlosigkeit und schließlich der Erstickungstod. Bei einem Umgebungsdruck von ca. 300 mbar (entsprechend 10,5 km Höhe) dauert die Atmung, die bekanntlich reflexgesteuert ist, auch nach Eintritt der Bewusstlosigkeit noch an (vgl. C. Geidobler, PDF-Seite 20).

Aber auch in geringerer Luftdichte (Vakuum) dürfte das von dir beschworene Unterdruck-Barotrauma der Lunge nicht auftreten, pok. Jedenfalls nicht, wenn die Atemwege nicht in Verbindung mit dem Vakuum stehen. Anders sähe es bei einem Lungenriss, z. B. infolge einer explosiven Dekompression aus:
Wikipedia schrieb:
Wenn die Pleuraverletzung durch das Barotrauma der Lunge eine Verbindung zwischen Pleuraspalt und Lunge herstellt, so gelangt Luft bzw. Gas in den Pleuraspalt. Damit wird der dort gegenüber dem Lungeninhalt bestehende relative Unterdruck aufgehoben: es entsteht ein Pneumothorax.
Gruß
Luftpirat
 
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Zum "wissenschaftlichen" Wert dieser Versuche

Zum "wissenschaftlichen" Wert dieser Versuche nur die folgende Anmerkung. Heutzutage werden unterkuehlte Patienten, also auch gerettete Besatzungsmitglieder, keineswegs schnell und mit heissem Wasser aufgewaermt, sondern langsam und mit warmen Kissen, da die Gefahr eines thermischen Schocks besteht, wenn die Extremitaeten vom Blutkeislauf zu schnell wieder mitversorgt werden.
Dass das damals nicht aufgefallen ist laesst mich doch schon stark an dem Sinn der Versuche zweifeln.

Abgesehen davon das sie kriminell und unethisch waren und offenbar von sadistischen Taetern zur Triebbefriedigung benutzt wurden.
 
pok

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Ich glaube Luftpirat hat recht

und die Druckbeatmung mit Sauerstoff koennte zumindest fuer kurze Zeit helfen reaktionsfaehig zu bleiben.
 
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Zum "wissenschaftlichen" Wert dieser Versuche nur die folgende Anmerkung. Heutzutage werden unterkuehlte Patienten, also auch gerettete Besatzungsmitglieder, keineswegs schnell und mit heissem Wasser aufgewaermt, sondern langsam und mit warmen Kissen, da die Gefahr eines thermischen Schocks besteht, wenn die Extremitaeten vom Blutkeislauf zu schnell wieder mitversorgt werden.
Dies ist aber immer so, wenn du guckst, was sie einem vor 15 Jahren noch als Erste Hilfe Maßnahmen beigebracht haben und was heutzutage davon alles als totaler Blödsinn und sogar schädlich angesehen wird... In der Medizin hat sich der Aberglaube (oder die Unwissenheit) halt am längsten sichtbar gehalten. Wenn du heute jemandem, der unter Erfrierungen leidet als erstes einen Schnaps verpassen würdest, "damit ihm wieder warm wird", würde dich jeder Oberarzt völlig zu Recht für de Rest deines Lebens in die Pathologie verbannen, weil dass absolut letzte, was ein unterkühlter Körper braucht ist ein die Adern erweiterndes Mittel wie Alkohol.

Das die Art und Weise dieser Datengewinnung über Zwangsversuche an Menschen nicht nur unethisch, sondern absolut menschenverachtend war und ist, ist unbestritten, trotzdem sind die dabei gewonnen Daten fast überall in die Wissenschaft mit eingeflossen. Es gehört zu den teilweise echt perversen Paradoxien der menschlichen Moral, dass sie das Leid eines Einzelnen zum Nutzen einer großen Menge durchaus hinnimmt und Gefangene (gleich ob zivile oder militärische) immer wieder für genau solche Versuche hergenommen hat. Schon die alten Ägypter haben neuro-chirurgische Eingriffe vorgenommen, die sie erstmal an irgendwelchen Unglücklichen üben und erproben mussten.

Und auch in der Raumfahrt hat man einiges mit Tieren angestellt, um Rückschlüsse auf die Auswirkungen für Menschen ziehen zu können. Glücklicherweise hat man nun schon genug gelernt, dass man auf einigermaßen stabilen Fundamenten für die derzeitigen Vorhaben steht, aber ein Flug zum Mars wird mit Sicherheit eine deutlich höhere Opferbereitschaft von der Besatzung erfordern, als sich viele heute klar sind. Allein die Ergebnisse aus der Schlafforschung und die unerwartete Ablagerung von Giftstoffen an anderen Stellen als sonst im Körper bei Langzeitaufenthalten im All, zeigen mal wieder, dass es da ganz eigene Probleme gibt.
 
Thema:

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