Trumps Syrien-Vorstoß: Garantie für endlosen Unfrieden - SPIEGEL ONLINE - Politik
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Was nun genau im ruhigsten und - im Vergleich zu Assads Herrschaft - mit Abstand freiestem Gebiet Syriens geschehen wird, ist offen. Die türkische Armee hat Truppen und gepanzerte Fahrzeuge im Ort Akcakale zusammengezogen. Genau dort, wo die Türkei noch im Oktober 2014 gutnachbarschaftliche Beziehungen mit dem IS aufrecht erhielt und der Grenzübergang zum IS-Gebiet geöffnet blieb, während die kurdischen Bewohner von Kobane 60 Kilometer weiter westlich einen verzweifelten Kampf gegen die vorrückenden IS-Truppen führten. Dort hielt die Türkei die Grenze hermetisch verschlossen, erlaubte den USA nicht einmal die Benutzung ihres Luftwaffenstützpunktes im türkischen Incirlik, um die Kurden zu unterstützen.
Genau dort will der türkische Präsident Tayyip Erdogan nun seine Armee einmarschieren lassen: angeblich, um eine Dutzende Kilometer tiefe "Sicherheitszone" zu schaffen entlang der gesamten Grenze. Und, um syrischen Flüchtlingen die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen.
Was er tatsächlich schaffen wird, ist eine Kampfzone, denn Kobane und die meisten kurdischen Städte liegen unmittelbar an der Grenze. Überdies kommen die allermeisten der gen Türkei geflohenen Syrer nicht aus dem Nordosten des Bürgerkrieglandes, sondern aus Homs, Aleppo, Damaskus, den arabischen Teilen. Sie nun in die Kurdengebiete zu deportieren, wäre ein Versuch der demografischen Veränderung und Garantie für endlosen Unfrieden.
Vielleicht wird diese Offensive schon sehr viel früher zum Erliegen kommen, als Erdogan und sein neo-osmanischen Strategen sich dies erträumen. Vielleicht bleiben US-Truppen vorläufig in einigen Gegenden. Vielleicht bleibt es bei einem Einmarsch in Manbidsch, jener mehrheitlich arabischen Stadt westlich des Euphrats, die die Kurden sich einverleibt haben und die Erdogan schon jahrelang für sich gefordert hat.
Das klingt befremdlich, aber auch Erdogans Motive sind innenpolitisch. Es geht ihm nicht um ein anderes Syrien, sondern um eine vergrößerte Türkei. Das jedenfalls lässt sich schließen aus der Art, wie die bereits vom türkischen Militär beherrschten Gebiete im Nordwesten Schritt für Schritt als türkische Statthalterprovinzen behandelt werden. ...