Wie ich es erlebte......
Als ich 1972 zum Bund eingezogen wurde, hatte ich ehrlich gesagt relativ wenig Ahnung von OST und WEST ...... es war nicht mein Thema. Als kleiner Junge habe ich nur mitbekommen, dass meine Tante zu Weihnachten immer ein Paket Richtung Osten schickte.
Ich wurde Berufssoldat, weil ich fliegen wollte, egal wo, egal wohin und egal warum. Ich fand die Typen mit den orangenen Kombis und der Coolness einfach nachstrebenswert.
1975 an der Offiziersschule im Rahmen des staatsbürgerlichen Unterrichtes (der für mich relativ wenig spannend war) kam ich das erste mal bewußt mit den unterschiedlichen Systemen West- bzw. Ostdeutschland in Berührung. Es war für mich Pflichtstoff, und mein Informationsstand war anschließend ein anderer als zuvor. Ich habe es aber damals wie heute nicht als Hetze oder Scharfmacherei empfunden, es war abstrakte Information.
1976 in der Pilotenausbildung in Sheppard fand ich es dann schockierend, dass wir von Amerikanischen Offizieren gefragt wurden, ob wir aus West- oder Ostdeutschland kommen würden. Da merkte ich, es macht für mich jetzt einen Unterschied, welchem System man zugeordnet wurde.
Während meiner aktiven Zeit war eben der Osten der potentielle Gegener, man hat sich eben auf einen Konflikt so gut wie möglich vorbereitet. Undenkbar wäre für uns gewesen, der Auslöser eines solchen Konfliktes zu sein. Der Osten war für uns die Truppen des Warschauer Paktes, wovon der Osten Deutschlands ein nicht unbedeutender Teil war. Er lag uns auch am nächsten. Zur Ostgrenze hin gab es die bedeutensten Flugeinschränkungen, und flog man daran entlang dann konnte man das Aufschalten der Radargeräte der Flugabwehrraketenstellungen auf dem Radarwarnempfänger beobachten. Einfach rüber zu fliegen um zu provozieren wäre mir nie in den Sinn gekommen, und viele Stories darüber reihe ich noch heute als Fliegerlatein ein. Es war einfach Tabu-Gebiet. Und wenn wir mal diskutierten, welche Besatzungen des Warschauer Paktes uns wohl am meisten Probleme am Himmel machen konnten, dann war uns eines klar, es würden unsere gleichsprachigen Kollegen sein. Ich war froh, dass "mein vorgeplantes Ziel" ("Als Recce konnte man den Gegner ja nur Überbelichten, hatten ja keine Bewaffnng an Bord)" in der damaligen Tschechoslowakei lag.
Dann kam die Wende, und schon kurz nach der Öffnung der Grenzen erhielt ich in meiner Eigeschaft als Vorsitzender des lokalen BSK (Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge e.V.) eine Postkarte mit der Ankündigung eines Besuchs von Fliegerkollegen aus dem Osten. Woher die gerade die Anschrift unseres BSK her hatten, keine Ahnung. Ein paar Tage später am Morgen kurz vor neun Uhr stand der ehemalige Klasssenfeind (4 Ostpiloten in zivil, angereist im privaten Wartburg) vor dem Kasernentor an der Hauptwache von Bremgarten, und wollten rein. Es hat uns Piloten alle Überredungskunst gekostet bei der Geschwaderführung den Zutritt zum Flugplatz zu erreichen, wir waren persönlich für die Betreuung verantwortlich.
Die Jungs waren nett, aber eigentlich total verunsichert, ja fast heimatlos. Auf Anordnung des Staffelchefs wurde für den Abend eine Party zum näheren Kennenlernen organisiert. Dazu galt es zunächst, so schnell wie möglich geeignete Speisen zu beschaffen. Zwei RF-4E wurden kurzerhand umgeplant und auf einen Navigationsflug nach Italien mit dortiger Zwischenlandung geschickt. Unser Besuch schaute uns bei der Flugplanung über die Schultern, sie glaubten uns kein Wort. Sie fuhren mit zum Flugzeug und sahen uns starten. Als wir 4 Stunden später wieder aufschlugen, standen Sie wieder vor dem Flugzeug, an dem die Triebwerke gerade abgestellt wurden. Und als wir all die Leckereien aus den Kamera-Schächten (die Kameras hatten wir ausgebaut, dann hatte mehr Platz) ausluden, da haben die immer noch geglaubt wir würden hier die größten Türken bauen.
Spät nachts nach dem x-ten Bier war die Verbrüderung mit dem ehemaligen Klassenfeind (zumindest mit den vieren) vollzogen!
Es war eines meiner schönsten Flieger- Erlebnisse, und damit war die Wende auch bei mir angekommen.
franzl