Also so ziemlich alle seriösen Historiker widersprechen der These vom 1941 bevorstehenden russischen Großangriff. Allerdings gibt es ja (wie auch zu fast allen Themen, siehe Klimawandel wo 90% ja sagen und 10% - oft bezahlt von der Energiewirtschaft für neue "unabhängige" bzw. "zielorientierte" Ergebnisse - nein sagen ) zu viele Meinungen. Diese o.a. These wird nur allzu gerne vom heutigen rechten Rand unterstützt, und wenn man mal ein paar Namen der Schriftsteller unter die Lupe nimmt, kann man diese bzw. ihre Verleger auch sehr schnell weit rechts zuordnen.
Es gibt übrigens auch sehr witzige Bücher über UFOs und "Löffelbieger" - die haben auch nette Erklärungen für alles.^^
Die Rote Armee war 1941 zwar zahlenmäßig stark aber ihre Ausrüstung überwiegend, ihre Mobilität erbärmlich (und für Angriffsbewegungen denkbar ungeeignet) und Taktik generell veraltet - die Säuberungen im Offizierskorps und der mühsame Erfolg gegen Finnland im Jahr zuvor sprechen für sich. Allerdings stand auch fest, das Stalin 1939 sehr wohl bewusst war, dass der Vertrag von 1939 für ihn nur einen Aufschub brachte. Vielleicht rechnete er ja 1939 trotzdem mit einem Angriff Deutschlands auf ihn - das Stillhalten der Westmächte - quasi schneller Frieden im Westen wenn dafür die Wehrmacht gleich nach Osten geht - gefiel ihm ganz sicher nicht wirklich und befeuerte diese Befürchtung bis Mai 1940 sicher noch kurz. Die Aufklärungsflüge der Luftwaffe, die großen Truppenkonzentrationen 1941 an seiner Grenze blieben ja nicht unbemerkt aber hier greift wieder mal das "Führerprinzip" - als Diktatur hatte natürlich nur er Recht gewisse Dinge zu deuten und sein Wunschdenken ging ganz klar in Richtung das er mehr Zeit brauchte. Tja... andere Führer ersetzten ja Realitäten auch immer wieder mit Wunschdenken und so alle lagen damit recht falsch.^^
Also klammerte er sich (in heldenhafter Überzeugung seiner einzig wahren Meinung) wohl an die bisher erfüllten (wobei ab Anfang 1941 stark zurückgefahrenen) Bündnis- und Wirtschaftszusagen und dachte selber auch in den alten Dimensionen des 1. Weltkrieges, also viele Menschen-Massen in Gräben, kurze Versorgungswege für die Logistik und die 1939 gewonnene "Pufferzone" lies ihn alle Warnungen überhören.
Witzigerweise wurden wohl noch im Dezember 1941 in Moskau Offiziere vor Gericht gestellt welche einen Krieg mit Deutschland prognostiziert hatten... in der Ferne waren dazu noch deutsche Geschütze zu hören.
Aber es passt natürlich wieder mal in den aktuellen Zeitgeist und der lautet: "Russland ist an allen Schuld!" Und damit bin ich wieder mal beim Thema - wie o.a. schon beschrieben, die Sowjetunion sah in den 30ern was alles so ungestraft geht. Aufrüstung, Krieg, Annexion... alles kein Problem und sie machte das dann auch (und folgenlos). Nach deren Zerfall musste Russland sehen was seine westlichen Vorbilder und deren Verbündete zwischen 1991 - 2014 so alles ungestraft taten. Allein die Liste der uns wirklich bekannten Verstöße gegen anerkanntes Völker- und Kriegsrecht, die Verletzung von Verträgen, Sanktionen, die offenen und halbverdeckten Einmischungen in andere Länder, Unterstützung von Terror... da wurde kaum was ausgelassen. Die Osterweiterung von NATO und EU war für Russland anfangs nicht das Problem - zum einen hatte man ihnen hierbei einige "Pflaster" zugesagt und es gab klare Absprachen... auch im Bereich der Abrüstung und zum anderen war man wirtschaftlich am Boden.
Für mich (persönlich) ist das aktuelle Problem jedoch gerade die Art dieser Erweiterungen. Für die Aufnahme in die EU mussten auf der einen Seite die Länder Ost- und Mitteleuropas mächtig "die Hosen runterlassen" - da gab es Unmengen von kleinen und großen Bedingungen, Rechts- und Wirtschaftsverträgen, Abkommen, Öffnungen von Märkten und und und... kein allzu großer Zufall also, dass sich die Begeisterung über die EU in diesen Ländern arg in Grenzen hielt und hält. OK, die wenigen wirtschaftlichen Vorteile nimmt man gerne in Kauf, vor allen wenn da mal was für die Massen und nicht nur eine Hand von Neureichen rüberkommt aber sobald die EU mal mehr will, winkt man (nicht nur im PIS-Polen) dankend ab. Tja... ist halt Mist, wenn in Brüssel zwar Europäer sitzen und "Europa" sagen aber zu oft nur "Wirtschaft" meinen. Übrigens bekam Russland übrigens seine ersten Probleme mit der EU als es seine (Energie-) Märkte nicht öffnen (bzw. übernehmen lassen) wollte.
In der NATO war das anders - die Länder Ost- und Mitteleuropas erfüllten die Bedingungen leicht (keine aktuellen Kriege etc.) und in Brüssel und Washington saßen immer noch die kalten Krieger. Es gab also keine wirklichen Forderungen und plötzlich waren viele kleine und mittelgroße Länder in einer starken Militärallianz welche alle keine wirklich guten Erfahrungen mit Russland bzw. der Sowjetunion hatten und trafen auf Leute die noch immer einen Feind für die eigene Existenzberechtigung brauchten. Keines dieser Länder wollte, trotz ihrer bescheidenen militärischen Stärke, abrüsten (den entsprechenden Vertrag unterschrieben wohl nur Russland, Weißrussland und die Ukraine) und schon 2004 wurde der Wunsch nach NATO-Truppen in Polen und dem Baltikum laut. Und dieser Ruf gipfelte in der Stationierung von Abwehr-Raketen (gegen den Iran^^) - faktisch versaute in meinen Augen die EU aus wirtschaftlichen Eigennutz und die NATO (für das Rachegefühl der neuen Mitglieder welche den Krieg der Großväter noch nachträglich gewinnen wollen) zwischen 2003 (Irak) und 2008 (Georgien) die zuvor relativ guten Beziehungen nach Osten sehr schnell (hielt dazwischen Putin nicht noch eine Rede in München in der er vor dieser Entwicklung warnte) aber jetzt wird so getan, als ob es "nur" an der Krim 2014 liegen würde, dass Russland bei uns so schlecht dasteht.
Hier liegt in meinen Augen das Hauptproblem - es gab bei der EU jede Menge (wirtschaftliche) Forderungen aber bei der NATO keine (politischen). Die Ansage hätte lauten müssen das man ein gutes (weil ruhiges) Verhältnis zu Russland hat und der Krieg der Väter definitiv zu Ende ist. Also Mitgliedschaft in EU und NATO nur für klare Zusagen und Aufgabe von jeden Gedanken an Revanchismus und - so schwer das manchen Politiker auch gefallen wäre - einen Schritt auf Russland zugehen (hat ja Frankreich auch mal in Richtung Deutschland gemacht um die "Erbfeindschaft" endlich mal zu beenden). Stattdessen übernahm man sehr schnell die in diesen Ländern gravierende "Russophopie" als es (real noch) gar keinen Grund dafür gab, ließ auf Seiten der EU seelenruhig zu, dass Minderheitenrechte (natürlich bevorzugt für Russen) in diesen Ländern gar nicht erst durchgesetzt werden müssen (es blieb wohl bei regelmäßigen Ermahnungen nach Kiew, Riga etc.) und suhlte sich im bis 2008 nahezu ungebremsten wirtschaftlichen Erfolg. Ab da war das Ding in meinen Augen schon "gegessen"...
Bitte nicht falsch verstehen, mir gefällt (u.a.) auch die aktuelle russische Politik nicht aber die verzerrten und einseitigen Schilderungen machen das nicht wirklich besser. Ist ja irgendwie komisch, dass man 1-2x im Monat zur besten Fernsehzeit 20:15 Uhr über Putins Reich des Bösen, seine Oligarchen, seine stillen Feinde, seine Dopingsportler und und und aufgeklärt wird... wer mal was über uns, unsere "Freunde" sowie nahen und fernen (mehr oder weniger gut) Verbündeten sehen will, sollte mal 22:45 Uhr einschalten.
Die schlichte und einfache Konsequenz wäre: "Wir erklären Russland zum Freund und die kaufen von uns Waffen!" Damit könnte Russland seinen vielen kleinen und großen außenpolitischen Verstößen noch Unmengen weiterer Dinge hinzufügen, noch ein paar Verträge grundlos kündigen, noch mehr spionieren, seine Menschenrechts- und Presselage im Inneren (welche im Rating oft über der unserer Verbündeten liegt) stark "verschlimmbessern" und der nicht wirklich großen Opposition mal wirklich auf den Leib rücken und wir hätten trotzdem NULL-Probleme da ja Freunde alles dürfen... vor allen wenn sie auch noch bei uns Waffen kaufen. Der ganze Spaß kostet uns zudem auch nur einen weiteren Flug nach Moskau (aber bitte nicht mit der Flugbereitschaft) zur Unterzeichnung eines neuen Vertrages und wenn es geht auch nicht zum 80. Jahrestag des o.a. titelgebenden Vertrages für ein paar Euros und wir könnten wieder ein paar Milliarden für andere Dinge verwenden.
Die andere Konsequenz wäre: Wir überziehen unsere Verbündeten und Freunde mit Sanktionen womit aber wohl - aus rein rechtlicher Sicht (in Bezug zu den Gründen unserer Russland-Sanktionen bei gleichen Gründen auch gleichen Strafen für andere Täter) - der gesamte Handel innerhalb der NATO und EU nahezu zum Erliegen kommen würde.