Da im A-7 Thread es um die F-104 ging und es nicht gut ist, wenn einen Thread noch weiter zerlabert wird. Also machen wir mal hier weiter.
Ich hab es mir gegeben und alles mal durchgelesen. Jemand hat es eigentlich ganz gut wider gegeben und hat auch das Buch von Corky Meyer gelesen und das Wesentliche schon gesagt. Es gibt zwar das Buch von Claas Siano, aber das erzählt ja nur nach Aktenlage. Viel interessanter finde ich die Geschichten die sich hinter den Kulissen abspielen, bevor so ein Beschaffungsvorhaben vor den Bundestag kommt. Und genau in diese Kerbe haut Meyer, natürlich aus amerikanischer Sicht, aus der Sicht des für die Vermarktung mit Deutschland zuständigen Mann bei Grumman.
Als die Deutsche Delegation zu Grumman kam, schreibt er, war der Groschen schon gefallen, dass die Mirage III schon aus dem Rennen war. Es ging also nur noch um Super Tiger oder Starfighter. Interessant zu erfahren, dass die Super Tiger gar nicht von Anfang an zur Auswahl stand, sondern die Deutschen hat das für Rüstungsexporte zuständige Amt in den USA darauf hingewiesen sich auch mal die Super Tiger anzusehen und so kam auch die Super Tiger auf die Liste. Geflogen hat sie Albert Werner, der sechs Flüge mit der Super Tiger absolviert hat. Und dann wollte auch Kammhuber ran und selber mal ausprobieren. Nach der Landung beschwerte er sich, dass man ihn angelogen hätte, weil der Flieger ums Verrecken nicht über Mach 1,1 wollte. Der Pilot vom Begleitjäger erzählte danach, dass er ständig mit ausgefahrenen Slats und Flaps geflogen sei und das über 400 Knoten was sie im ausgefahrenen Zustand hätten rechnerisch aushalten sollen. Das Zeug hat es ohne Schaden überstanden. Soviel zu den Fähigkeiten altgedienter Piloten und der Qualität von Grumman Flugzeugen. Aber immerhin scheint Kammhuber seinen Fehler eingestanden zu haben und hat wohl aufgrund der Testflüge von Albert Werner einen positiven Bericht verfasst.
Am 17. Dezember bekam die USAF Military Assistance Group, dass man sich für die Super Tiger entschieden hätte. Das müsste in dem Buch von Siano auch drin sein, weil offizielles Dokument. Ich habe es nicht gelesen, weil mir sind Geschichten lieber als seitenlange Bundestagprotokolle zu lesen. Könnte das mal einer abgleichen? Ich gehe mal davon aus, dass danach die Diskussion im Bundestag erst so richtig los ging und der Lobbyismus durch Lockheed.
Die Gründe für die Entscheidung waren die kurze Start- und Landerollstrecke, die Performance bei hoher Geschwindigkeit, die Allwetterfähigkeit, Kosten zur Produktionsreife, die schon von den USA getragen wurden, die Möglichkeit Atomwaffen zu tragen bei akzeptabler Reichweite.
Zu dieser Zeit waren die F-104 auch in den USA gegrounded, wegen Sicherheitsmängel und Albert Werner hat noch keinen Starfighter geflogen. Die F-104G gab es auch noch gar nicht und sie war nur ein Versprechen und nichts konkretes. Zu dieser Zeit gab es schon etliche Abstürze mit der F-104A in den USA, selbst mit Prototypen. Während beide Super Tiger fröhlich vor sich hin flogen. Jemand hat im Siano-Buch Thread gemeint, in Deutschland hätte man sich aufgeführt wie die peinlichen Fan-Boys. Genau so ging es dann zu als man endlich die F-104A fliegen durfte. In dem Bericht von Kammhuber wurde anscheinend auch der Sicherheitsaspekt berücksichtigt und wie gutmütig sich die Super Tiger fliegen ließ und wie robust sie war usw. Das hat man völlig vergessen, als man die F-104A flog. Da gingen dann die Kinderaugen auf und man sah nur noch wie das Ding wie ein Flitzebogen ab ging. Sicherheitsaspekte, Grounding kurz davor und die Gründe dafür, die damals schon vielen Tote und Abstürze, all das spielte plötzlich keine Rolle mehr, man sah nur noch das fetzige Spielzeug wie die Kleinkinder. Das spiegelte sich anscheinend auch in den offiziellen Dokumenten in Deutschland wider, wie ich aus den Aussagen zum Siano-Buch entnehme.
Kurz danach war man sich plötzlich nicht mehr so sicher und entschied sich für die F-104, die es in der versprochenen Ausführung noch gar nicht gab. Die Japaner haben sich vorher, genau so wie Deutschland für die Super Tiger entschieden, aus genau den gleiche Gründen. Und plötzlich haben auch sie sich umentschieden. Da lief eine gewaltige Promotion-Maschinerie von Lockheed im Hintergrund und wahrscheinlich mit unlauteren Mitteln. Grumman hatte null Erfahrung damit.
Jedenfalls kam im Januar 1958 noch einmal die Delegation in die USA und hat die F-104A endlich getestet, mit den oben genannten Kinderaugen. Neben Werner war auch Krupensky dabei, der aber kein Testpilot war wie Werner.
Als die Debatte in Deutschland in vollem Gange war, entschied man sich noch einletztes mal beide Typen gegeneinander zu testen und Steinhoff kam in die USA. Auch er durfte die Super Tiger fliegen. Und da passierte dann was kurioses, auf das ich weiter unten noch eingehen will. An diesem Tag hatte Steinhoff Zahnschmerzen und er war übel gelaunt. Er bekam den Bock ums Verrecken nicht auf Mach 2 und war dann noch übler gelaunt als er wieder landete. Wegen der Zahnschmerzen war er so unkonzentriert, dass er den Vogel mit 20 Fuß/Min aufsetzte, 110% über dem Limit. Die Leute von Grumman dachten schon das Ding abschreiben zu können, aber die Super Tiger hat es klaglos hingenommen, ohne jeden Schaden. Auch hier wieder Grumman-Qualität. Steinhoff war jedenfalls voll außer sich und hat sich wohl ziemlich lautstark beschwert bevor man ihn zum Zahnarzt brachte.
Der Grund, dass Steinhoff den Vogel nicht über Mach 1,3 brachte war, dass man am Vortag für spezielle Tests die Düse entsprechend einstellte, dass man damit nicht schneller fliegen konnte. Aber dazu unten mehr. Das hat man versucht Steinhoff zu erklären. Er wollte aber nichts wissen. Er hat sich stur gestellt und wollte nichts mehr hören. Selbst in Deutschland hat man versucht zu ihm durchzudringen, ohne Erfolg. Er hat alles abgeblockt. Es kam dann wie es kommen musste, man entschied sich für die F-104G und in Japan tat man das gleiche (zufällig). Und die Deutsche Entscheidung war der Türöffner für andere NATO Partner in Europa.
Und jetzt wird es interessant. Also die Geschichten hinter der Geschichte, die mich interessieren und die bekommt man nur von Leuten mit, die dabei waren. Mr. Grumman höchstpersönlich hat Meyer zu sich ins Büro gerufen und hat ihm durch die Blume gesagt, dass das nicht so schlimm sei, er habe ja was dazu gelernt. Meyer dachte schon, dass er gefeuert werde. Dann wurde er bei irgend einem Anlass von den Lockheed Leuten zu einem Gespräch eingeladen, wie es so in der Branche üblich ist. Man trifft sich und redet. Dabei haben die Lockheed Leute ihm eingestanden, dass er der härteste Mitbewerber war den sie je erlebt haben. Das aus dem Munde von Lockheed heißt schon was. Dann hatte er Gespräche mit Navy-Leuten. Die sagten ihm, dass es der Navy gar nicht gefallen hätte, wenn Grumman den Wettbewerb gewonnen hätte. Das hätte bedeutet, dass Grumman zu groß für die Navy geworden wäre und die Navy wollte lieber Firmen die klen genug waren um gemeinsam passende Flugzeuge zu entwickeln und das wäre mit einem größeren Grumman nicht mehr möglich gewesen. Danach hatte er ein Gespräch mit jemanden aus der Chefetage gleich hinter Mr. Grumman. Der erzählte ihm dann, dass Mr. Gumman nie die Absicht hatte den Deutschen die Super Tiger zu verkaufen (und somit wohl auch nicht den Japanern). Mr. Grumman war ja ständig im Austausch mit der Navy. Der wusste wie die Navy tickte.
Und da kommt die Geschichte mit Steinhoff wieder ins Spiel. Das ist jetzt eine gewagte These von mir. Wenn ein wichtiger Flug bevor steht, dann kann es nicht sein, dass man ein für einen Test modifiziertes Flugzeug ohne abschließende Überprüfung übergibt. Ich mag mich zwar weit aus dem Fenster lehnen, aber mich würde es nicht wundern, wenn Anweisung von oben kam den Vogel nicht wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen, damit er bei dem Test durch fällt. Damit hätte Mr. Grumman seinen Willen bekommen, ohne die Deutschen vor den Kopf stoßen zu müssen, dass er gar nicht wollte. Es kann auch nicht sein, dass es Grumman entgangen ist, dass Lockheed mit unlauteren Mitteln hinter den Kulissen agiert um ihre Starfighter zu verkaufen. Er hat sie gewähren lassen, ohne selbst noch einen drauf zu geben.
Andererseits hätte er das auch tun können und die Super Tiger einer anderen Firma übergeben können, wie später Northrop es mit der YF-17 an Mc Donnell gemacht hat um daraus die F-18 zu machen. Dann hätte Deutschland tatsächlich die Super Tiger bekommen, nicht von Grumman sondern vielleicht von Northrop oder LTV, statt der Starfighter und es hätte keinen Witwenmacherskandal gegeben, dafür vielleicht eine Grumman oder Northrop, oder LTV-Affäre, wer weiß, weil sie dann besser geschmiert hätten als Lockheed.
Jahre danach, kam Steinhoff als NATO Verbindungsoffizier in die USA. Und wie es so ist ruft man alte Bekannte an um sich zu nem Bier oder was ähnliches zu treffen. Steinhoff hat dabei Meyer gegenüber gemeint, dass er seine Entscheidung im Nachhinein bedauerte und er hätte doch lieber die Super Tiger kaufen sollen. Bang!
Das sind die Geschichten die mich interessieren. Man liest selten Sachen der Leute die Flugzeuge verkaufen. Nahezu immer bekommt man nur das was offiziell abläuft mit. Die Kämpfe der Firmen und der Personen im Hintergrund, die Menschliche Seite der Entscheider, bekommt man kaum mit und all die Beziehungen der Protagonisten untereinander. Da könnte man Dramen und Krimis schreiben.
Dann gab es die Frage was wäre wenn man eine Übergangslösung beschafft hätte.
Es gab keine Übergangslösung. Damals war man weltweit an der Schwelle von Unterschall zu Überschall. Sämtliche Luftwaffen ersetzten ihre Sabres und MiG-15/17 mit Überschallflugzeugen. Alle wichtigen Flugzeuge gab es damals mindestens in Prototypform, die bis in die 80er eine Rolle spielten. Es gab für die Luftwaffe nur die Option Überschall zu gehen. Und gleichzeitig musste es ein Ami-Flugzeug sein, wegen der nuklearen Teilhabe. Somit fielen alle Europäer aus. Die F-100 konnte es nicht sein, weil sie nicht allwettertauglich war. Die F-102 konnte es auch nicht sein, weil sie nicht als Nuklearbomber taugte. Es blieben nur Super Tiger und F-104G übrig. Diese beiden waren zu dem Zeitpunkt die einzigen realen Kandidaten, auch wenn sich Strauß noch so die Mirage gewünscht hätte. Man hätte ja auch noch paar Jahre länger mit Thunderstreaks herum gurken können. Danach wäre es dann die Phantom geworden, die man eh paar Jahre später als Zwischenlösung beschafft hat. Dann wäredie Phantom eben paar Jahre früher gekommen, als F-4C oder D, eingedeutscht. Man hätte sich also nur den Zwischenschritt mit Starfighter gespart und alles wäre gleich geblieben.
Scheiße, ist das lang geworden.