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Führungskrise bei Airbus
Verzögerungen beim A380
Führungskrise bei Airbus
Toulouse/Hamburg (dpa) - Überraschende Lieferverzögerungen beim Großflugzeug A380 haben beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und seiner Tochter Airbus eine Führungskrise ausgelöst.
Rund sechs Monate vor der Auslieferung der ersten A380 an Singapore Airlines (SIA) hatte Airbus die Auslieferungspläne für das Großflugzeug ein zweites Mal aus produktionstechnischen Gründen verschoben. Die Börsen reagierten mit Kurssturz, Kunden und Großanleger sind schockiert und verärgert.
Den Konzern kostet die Verschiebung Milliarden. Airbus wird vom Mutterkonzern EADS vorgeworfen, die Probleme nicht rechtzeitig erkannt zu haben. EADS-Großaktionär DaimlerChrysler wurde nach eigenen Angaben von den Produktionsproblemen überrascht. Die Auftragsbücher bei Airbus sind trotz der Vertrauenskrise übervoll: Am Donnerstag erhielt Airbus einen weiteren Milliardenauftrag für 24 Airbus A320 von Air China.
Die vielfältigen, technisch aufwendigen Anforderungen der Kunden machen die Produktion des weltgrößten Passagierflugzeugs hochgradig kompliziert. Bei den Elektrik- und Elektroniksystemen sei es zu Engpässen gekommen, erklärte Airbus. Dennoch soll die erste Maschine wie geplant an SIA zum Jahresende ausgeliefert werden, aber schon auf die zweite muss die Fluggesellschaft warten. 2007 sollen statt 20 bis 25 Maschinen maximal neun abgeliefert werden, 2008 dürften es statt 35 nur 26 bis 30 sein, im Folgejahr statt 45 nur 40 Maschinen. Die betroffenen Fluggesellschaften haben das Recht auf Entschädigungen. Bisher sind 159 Maschinen des Typs A380 fest geordert und 15 gebaut worden.
Die Produktionsprobleme bei Airbus werden für EADS zum kostspieligen Abenteuer. Der Ertrag vor Zinsen und Steuern (EBIT) wird nach Konzernangaben in den kommenden vier Jahren um insgesamt zwei Milliarden Euro gedrückt. Gleichzeitig wird der freie Kapitalfluss dramatisch zurückgehen, in der Spitze 2008 um mehr als eine Milliarde Euro. Dies löste am Mittwoch einen dramatischen Kurssturz der EADS-Aktien um 26,32 Prozent auf 18,73 Euro aus. Donnerstag erholte sich die Aktie um 4,5 Prozent auf 19,57 Euro.
Pariser Experten machten chronischen Mangel an Ingenieuren und Kapazitäten bei Airbus für die Engpässe verantwortlich. Zu viele Projekte vom A380 über den A350, den Militärtransporter A400M und andere müssten gleichzeitig angepackt werden. Der Hamburger Airbus-Sprecher Arndt Hellmann sagte: "Im Februar suchten wir noch rund 1250 Ingenieure und Facharbeiter. Jetzt haben wir ungefähr die Hälfte davon eingestellt; davon allein 350 Ingenieure am Standort Hamburg."
Mit dem A380 will Airbus das jahrzehntelange lukrative Monopol der Boeing 747 brechen. Die Entwicklung des Flugzeugs für 481 bis 853 Passagiere oder 150 Tonnen Fracht hat 12,4 Milliarden Euro gekostet. Dafür sollte der zum Listenpreis von 263 bis 286 Millionen Euro angebotene A380 zum "Goldesel" von Airbus und EADS werden. Doch schon der ursprüngliche Auslieferungsplan wurde um ein halbes Jahr verfehlt. Derweil fliegt Boeing Airbus davon: Seit Jahresbeginn hat der US-Konzern 437 Verkehrsflugzeuge verkauft, mehr als viermal so viel wie die Europäer.
Der A380-Startkunde SIA deutete am Mittwoch an, er könne Aufträge stornieren, und gab demonstrativ einen Großauftrag an Boeing für 20 Flugzeuge des Typs 787-9 plus 20 Optionen bekannt. Gegen den 787 "Dreamliner" soll der künftige Airbus A350 antreten, dessen Konzept nach Kundenkritik derzeit völlig überdacht wird.
Die EADS-Chefs Thomas Enders und Noël Forgeard forderten die Airbus-Führung auf, den "neuen Auslieferungszeitplan einzuhalten und wenn möglich zu verbessern". Forgeard war bis 2005 Airbus-Chef und hat die bisherige Planung weitgehend zu verantworten. "Es tut mir schrecklich Leid für die Investoren, die ihr Vertrauen in die EADS-Gruppe gesetzt haben. Als ich bei Airbus war, haben wir niemals unsere eigenen Prognosen verfehlt", kritisierte Forgeard Airbus-Chef Gustav Humbert.
Airbus-Sprecher David Voskuhl versicherte, das Ausmaß der Produktionsprobleme beim A380 sei auch für Airbus "sehr neu". Humbert habe persönlich Kunden angerufen, um sie über die Verzögerung zu informieren. Abbestellungen gebe es nicht.
Unterdessen sind schwere Vorwürfe gegen die EADS-Führung und Großaktionäre laut geworden. Der sozialistische französische Abgeordnete Gérard Bapt verlangte am Donnerstag eine "sofortige Aufklärung" über "ein mögliches Insiderdelikt" von EADS-Topmanagern, darunter Forgeard. Französische Medien berichteten, Forgeard habe im März Aktien des Unternehmens für 2,5 Millionen Euro verkauft. Der Kleinaktionärsverband ADAM forderte eine Untersuchung der Aktienverkäufe durch die Börsenaufsicht.
DaimlerChrysler ist nach eigenen Angaben von den Problemen überrascht worden. Bei der Verringerung des EADS-Anteils von 30 auf 22,5 Prozent im April habe man von ihnen keine Kenntnis gehabt, sagte Konzernsprecher Thomas Fröhlich. EADS-Großaktionär Arnaud Lagardère trat vehement der Vermutung entgegen, in Erwartung des Kurssturzes die Hälfte seiner 15 Prozent EADS-Anteile im April verkauft zu haben. Die Entscheidung sei schon 2005 gefallen und habe lange mit DaimlerChrysler abgestimmt werden müssen. "Wenn wir unehrlich wären, hätten wir nicht 7,5 Prozent des Kapitals verkauft, sondern alles", sagte Lagardère.
Noch im Mai habe Airbus-Chef Humbert der EADS- Führung erklärt, keinen Hinweis auf eine Verzögerung beim A380 zu haben. Am 1. Juni sei bei einem Analystentreffen von EADS-Teams dieselbe Antwort gekommen. Vielleicht hätten einige Produktionsteams "Verzögerungen nicht gemeldet, weil sie hofften, diese aufholen zu können", sagte Lagardère.
http://www.frankfurter-rundschau.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?sid=8ba3a3123b558295b10a459729b204e7&em_cnt=906128
Verzögerungen beim A380
Führungskrise bei Airbus
Toulouse/Hamburg (dpa) - Überraschende Lieferverzögerungen beim Großflugzeug A380 haben beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und seiner Tochter Airbus eine Führungskrise ausgelöst.
Rund sechs Monate vor der Auslieferung der ersten A380 an Singapore Airlines (SIA) hatte Airbus die Auslieferungspläne für das Großflugzeug ein zweites Mal aus produktionstechnischen Gründen verschoben. Die Börsen reagierten mit Kurssturz, Kunden und Großanleger sind schockiert und verärgert.
Den Konzern kostet die Verschiebung Milliarden. Airbus wird vom Mutterkonzern EADS vorgeworfen, die Probleme nicht rechtzeitig erkannt zu haben. EADS-Großaktionär DaimlerChrysler wurde nach eigenen Angaben von den Produktionsproblemen überrascht. Die Auftragsbücher bei Airbus sind trotz der Vertrauenskrise übervoll: Am Donnerstag erhielt Airbus einen weiteren Milliardenauftrag für 24 Airbus A320 von Air China.
Die vielfältigen, technisch aufwendigen Anforderungen der Kunden machen die Produktion des weltgrößten Passagierflugzeugs hochgradig kompliziert. Bei den Elektrik- und Elektroniksystemen sei es zu Engpässen gekommen, erklärte Airbus. Dennoch soll die erste Maschine wie geplant an SIA zum Jahresende ausgeliefert werden, aber schon auf die zweite muss die Fluggesellschaft warten. 2007 sollen statt 20 bis 25 Maschinen maximal neun abgeliefert werden, 2008 dürften es statt 35 nur 26 bis 30 sein, im Folgejahr statt 45 nur 40 Maschinen. Die betroffenen Fluggesellschaften haben das Recht auf Entschädigungen. Bisher sind 159 Maschinen des Typs A380 fest geordert und 15 gebaut worden.
Die Produktionsprobleme bei Airbus werden für EADS zum kostspieligen Abenteuer. Der Ertrag vor Zinsen und Steuern (EBIT) wird nach Konzernangaben in den kommenden vier Jahren um insgesamt zwei Milliarden Euro gedrückt. Gleichzeitig wird der freie Kapitalfluss dramatisch zurückgehen, in der Spitze 2008 um mehr als eine Milliarde Euro. Dies löste am Mittwoch einen dramatischen Kurssturz der EADS-Aktien um 26,32 Prozent auf 18,73 Euro aus. Donnerstag erholte sich die Aktie um 4,5 Prozent auf 19,57 Euro.
Pariser Experten machten chronischen Mangel an Ingenieuren und Kapazitäten bei Airbus für die Engpässe verantwortlich. Zu viele Projekte vom A380 über den A350, den Militärtransporter A400M und andere müssten gleichzeitig angepackt werden. Der Hamburger Airbus-Sprecher Arndt Hellmann sagte: "Im Februar suchten wir noch rund 1250 Ingenieure und Facharbeiter. Jetzt haben wir ungefähr die Hälfte davon eingestellt; davon allein 350 Ingenieure am Standort Hamburg."
Mit dem A380 will Airbus das jahrzehntelange lukrative Monopol der Boeing 747 brechen. Die Entwicklung des Flugzeugs für 481 bis 853 Passagiere oder 150 Tonnen Fracht hat 12,4 Milliarden Euro gekostet. Dafür sollte der zum Listenpreis von 263 bis 286 Millionen Euro angebotene A380 zum "Goldesel" von Airbus und EADS werden. Doch schon der ursprüngliche Auslieferungsplan wurde um ein halbes Jahr verfehlt. Derweil fliegt Boeing Airbus davon: Seit Jahresbeginn hat der US-Konzern 437 Verkehrsflugzeuge verkauft, mehr als viermal so viel wie die Europäer.
Der A380-Startkunde SIA deutete am Mittwoch an, er könne Aufträge stornieren, und gab demonstrativ einen Großauftrag an Boeing für 20 Flugzeuge des Typs 787-9 plus 20 Optionen bekannt. Gegen den 787 "Dreamliner" soll der künftige Airbus A350 antreten, dessen Konzept nach Kundenkritik derzeit völlig überdacht wird.
Die EADS-Chefs Thomas Enders und Noël Forgeard forderten die Airbus-Führung auf, den "neuen Auslieferungszeitplan einzuhalten und wenn möglich zu verbessern". Forgeard war bis 2005 Airbus-Chef und hat die bisherige Planung weitgehend zu verantworten. "Es tut mir schrecklich Leid für die Investoren, die ihr Vertrauen in die EADS-Gruppe gesetzt haben. Als ich bei Airbus war, haben wir niemals unsere eigenen Prognosen verfehlt", kritisierte Forgeard Airbus-Chef Gustav Humbert.
Airbus-Sprecher David Voskuhl versicherte, das Ausmaß der Produktionsprobleme beim A380 sei auch für Airbus "sehr neu". Humbert habe persönlich Kunden angerufen, um sie über die Verzögerung zu informieren. Abbestellungen gebe es nicht.
Unterdessen sind schwere Vorwürfe gegen die EADS-Führung und Großaktionäre laut geworden. Der sozialistische französische Abgeordnete Gérard Bapt verlangte am Donnerstag eine "sofortige Aufklärung" über "ein mögliches Insiderdelikt" von EADS-Topmanagern, darunter Forgeard. Französische Medien berichteten, Forgeard habe im März Aktien des Unternehmens für 2,5 Millionen Euro verkauft. Der Kleinaktionärsverband ADAM forderte eine Untersuchung der Aktienverkäufe durch die Börsenaufsicht.
DaimlerChrysler ist nach eigenen Angaben von den Problemen überrascht worden. Bei der Verringerung des EADS-Anteils von 30 auf 22,5 Prozent im April habe man von ihnen keine Kenntnis gehabt, sagte Konzernsprecher Thomas Fröhlich. EADS-Großaktionär Arnaud Lagardère trat vehement der Vermutung entgegen, in Erwartung des Kurssturzes die Hälfte seiner 15 Prozent EADS-Anteile im April verkauft zu haben. Die Entscheidung sei schon 2005 gefallen und habe lange mit DaimlerChrysler abgestimmt werden müssen. "Wenn wir unehrlich wären, hätten wir nicht 7,5 Prozent des Kapitals verkauft, sondern alles", sagte Lagardère.
Noch im Mai habe Airbus-Chef Humbert der EADS- Führung erklärt, keinen Hinweis auf eine Verzögerung beim A380 zu haben. Am 1. Juni sei bei einem Analystentreffen von EADS-Teams dieselbe Antwort gekommen. Vielleicht hätten einige Produktionsteams "Verzögerungen nicht gemeldet, weil sie hofften, diese aufholen zu können", sagte Lagardère.
http://www.frankfurter-rundschau.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?sid=8ba3a3123b558295b10a459729b204e7&em_cnt=906128